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Wer mit der Bandgeschichte vertraut ist weiß, dass die Florida-Metaller um Frontmann Matthew Heafy in genau solchen Momenten immer mal wieder dazu neigen, Bewährtes über den Haufen zu werfen und der Metal-Gemeinde einen Knochen hinzuwerfen, an dem man anfangs schwer zu kauen hat.
Gerade die letzte Dekade liefert hierfür einige Beispiele … etwa als Disturbed-Chef David Draiman beim 2013er Werk Vengeance Falls auf dem Produzentensessel Platz nahm und mit dafür sorgte, dass es der eigentlich bockstarken Platte unterm Strich an Tiefgang und Komplexität mangelte, jedoch nicht an völlig überreiztem Loudness-War-Brutalo-Sound. Dass der Bandname vielleicht irgendwas mit dem Wort »trivial« zu tun haben könne, mag dem einen oder anderen dann beim Nachfolger Silence in the Snow (2015) in den Sinn gekommen sein. Seichte Melodien ohne die zuvor in Heafys Gesangsrepertoire doch so fest verankerten Growls und Screams (eine zwingend notwendige Maßnahme aufgrund von Stimmproblemen) sorgten für bestenfalls gefällig dahinplätschernde Pseudo-Aggressivität.
Doch Trivium wären nicht Trivium, wenn sie der Welt nicht auch alle paar Jahre beweisen würden, dass sie an der allzu häufig gebrauchten Phrase und Bürde »die neuen Metallica zu sein« alles andere als zu Grunde gehen. So war es etwa, als im Jahr 2008 das vor Reife und Intensität strotzende Shogun auf die Menschheit losgelassen wurde. Und auch 2017 war es mal wieder soweit, The Sin And The Sentence ballerte sich in die Gehörgänge der Fangemeinde, nicht zuletzt dank der fabelhaften Schießbuden-Neubesetzung in Person von Alex Bent.

Und was folgt nun also im Jahr 2020?
Entwarnung … Trivium sind unverändert voll auf Kurs.
Das nach einer Science Fiction Novelle von Phillip K. Dick benannte What The Dead Man Say ist eine konsequente Weiterentwicklung der musikalischen Linie des Vorgängers von der ersten bis zu letzten Note und macht direkt da weiter, wo The Sin vor rund drei Jahren aufgehört hat, ohne wenn und aber.
Der dem stimmigen Intro folgende Titeltrack sorgt direkt für die Ausräumung aller entsprechenden Zweifel, boshaft getunte Gitarren erschaffen ein Riff-Gerüst, welches den melodischen Refrain perfekt umhüllt. Und noch eines wird gleich zu Anfang klar … der außerordentlichen Genialität die seit The Sin auf dem Schlagzeughocker vorhanden ist, wird enorm viel Platz eingeräumt. Selbst eher geradlinige Passagen muten beinahe wie kontinuierliche Drum Soli an, insbesondere weil es Alex Bent irgendwie zu gelingen scheint, in jeden Sekundenbruchteil eines Songs gefühlt dreimal so viele Fills, Wirbel, Doublebass Schläge oder Crash Hits zu packen, als man das von anderen Drummern gewohnt ist, ohne auch nur den allerkleinsten Makel in Sachen Präzision wohlgemerkt.
Der erste vom Album vorveröffentliche Song Catastrophist füllt die folgenden Rillen aus und weckt mit seiner eingängigen Hookline anfangs Erinnerungen an The Heart From Your Hate, den eher einfach gestrickten vermeintlichen Radio-Favoriten des Vorgängeralbums. Teil Zwei des Songs zerstört jedoch jeden Anflug von Simplizität, die Abrissbirne aus Gitarren und Blastbeats pendelt sich beim längsten Stück der Platte erst nach knapp sechseinhalb Minuten aus.
Amongst The Shadows & The Stones folgt auf Position Vier und knüpft in Punkto Aggressivität nahtlos an das Ende des vorherigen Tracks ein. Die schon bei The Sin hochgelobte Produktion lässt hier erneute Glanzpunkte zu Tage treten, wenn fett abgemischte Bassgitarren dem mit zahlreichen Tempiwechseln ausgestatteten Song zu einer soliden Soundbasis verhelfen.
Mit einem omnipräsenten Bass geht es auch beim etwas getrageneren Bleed Into Me weiter. Die weitestgehend softe und ziemlich kurzgeratene Nummer groovt zwar gefühlt eher unter dem Fähigkeits-Radar der Kapelle aus Orlando, verfügt jedoch nichtsdestotrotz über ein gewisses Ohrwurm-Potential.
Mit The Defiant folgt ein Stück, dass ebenfalls auf viel Melodie im Refrainteil setzt, diesmal jedoch wieder mit reichlich Krawall in der klanglichen Peripherie. Heafys abwechslungsreiche Gesangparts wecken Erinnerungen an Vengeance Falls und ergeben gemeinsam mit Alex Bents treibender Rhythmusarbeit und den an Iron Maiden erinnernden Gitarren ein absolut stimmiges Gesamtbild.
Schwermütig und aggressiv geht es mit Sickness Unto You weiter. Auch hier geht wieder enorm viel Druck von der Schießbude aus, mit einigen Passagen die von einem Moment zum anderen gänzlich unvermittelt in ein aberwitziges Tempo übergehen. Im späteren Verlauf bietet der verzwickte Track dann sogar ein ganzes Arsenal an verschiedenen Geschwindigkeiten, die sich trotz allem ziemlich nahtlos zu einem absolut brachialen Song verbinden.
Scattering The Ashes beschreitet als nächstes wieder etwas poppigere Wege und erinnert erneut an entsprechende Songs, die sich auf den letzten Platten hier und da immer mal wieder finden lassen. Gewiss, der eine oder andere nach Brutalität und Geballer lechzende Fan wird bei derartiger Musik schweren Schluckauf oder gar schlimmeres erleiden. Und doch muss man einfach sagen, Trivium können solche Songs. Gemäßigte Radiostationen auf diesem Erdball wird’s freuen.
Absolut nicht radiotauglich und damit wieder voll im Akzeptanzraster jedes Schwermetallers ist Track Nummer Neun, Bending The Arc To Fear. Leidvoll schlingernde Gitarren, Bassläufe wie Hammerschläge und mit enormer Heftigkeit gebellte Lyrics vereinen sich zu einem herrlich fiesen Song.
Das Ende des Albums wird mit The Ones We Leave Behind eingeläutet. Stromlinienförmig galoppiert das mit ausgesprochen geil klingenden Twin-Gitarrenparts garnierte Stück der finalen Note entgegen, die nach einer guten Dreiviertelstunde Gesamtspielzeit schließlich im Fade Out verklingt.

Was bleibt zu sagen? Trivium scheinen Ihren Weg mehr denn je gefunden zu haben … die Sorge, dass es erneute Neuorientierungen oder Experimente in der musikalischen Ausrichtung gibt, erweisen sich letztlich als unbegründet. Auch laut eigenen Aussagen der Band ist dies wohl unter anderem ein Resultat der Erkenntnis, dass man auf einen mittlerweile ziemlich reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann und das Rad nicht länger alle paar Jubeljahre komplett neu erfinden muss. So vereint Triviums vollendete Neunte tatsächlich viele Elemente, welche die Band in der Vergangenheit ausgezeichnet haben, kombiniert mit neuen Qualitäten wie etwa Alex Bents allgegenwärtiger Schlagzeug-Virtuosität. Den einen oder anderen etwas banaleren Song mag man Trivium auch heutzutage noch verzeihen, schließlich ist der Vergleich mit Metallica angesichts Matt Heafys bekannter Vorliebe für die Thrashmetal-Pioniere auch nicht allzu weit hergeholt. Die großen Vorbilder machen es nun mal perfekt vor, wie man die Massen mit einem breiten Spektrum an Stilelementen abholt. Trivium dürften mit ihrem hauseigenen und auch auf dem neuesten Werk kaum vernachlässigten Maß an Aggressivität jedoch noch eine Weile davor sicher sein, dass man der Band eine allzu mainstreamige Haltung vorwerfen kann. Trivium ist im Jahr 2020 alles andere als trivial.

Anspieltipps: Catastrophist, The Defiant, Sickness Unto You, The Ones We Leave Behind

..........................................................Oliver Rogoll

Kategorie

V.Ö.

24. April 2020

Label

Roadrunner Records / Warner Music

Spielzeit

46:32

Tracklist

1            IX                                                                   1:59

2            What The Dead Men Say                           4:46

3            Catastrophist                                              6:28

4            Amongst The Shadows & The Stones     5:40

5            Bleed Into Me                                             3:49

6            The Defiant                                                  4:29

7            Sickness Unto You                                      6:14

8            Scattering The Ashes                                 3:25

9            Bending The Arc To Fear                           4:46

10          The Ones We Leave Behind                      4:57

Line Up

Gesang, Gitarre
Matthew Heafy
Gitarre, Gesang
Corey Beaulieu (seit 2003)
Bass, Gesang
Paolo Gregoletto (seit 2004)
Schlagzeug
Alex Bent

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