Etwa eineinhalb Jahre nach der Veröffentlichung ihres letzten Longplayers "You Know Who You Are" und viele gespielte Konzerte später haben sich die "Post-Beatles-Alternative-Rocker" von NADA SURF auf ein ganz besonderes Abenteuer eingelassen. Denn sie haben dreizehn ihrer Songs zusammen mit dem deutschen Filmorchester Babelsberg neu arrangiert und in einem Live-Konzert für die Nachwelt festgehalten.
Jetzt ist das Thema "Rock oder Metal goes Classic" kein wirklich neues Thema, aber doch immer wieder ein Wagnis. Das, was bei KETTCAR sehr gut funktioniert hat, war bei PARADISE LOST ein kleiner Reinfall. Schließlich entscheidet über "Wohl" und "Wehe" zum einen die Songauswahl. Denn wenn auf den Live- oder Best-of-Alben immer die gleichen Tracks zu finden sind, wird das mit der Zeit langweilig und ist einfach nur nervig.
Auf "Peaceful Ghosts" finden sich aber nur vier Songs ('Blond On Blond', '80 Windows', 'When I Was Young' und 'Inside Of Love'), die auch schon auf dem 2015er "Live At The Neptun Theatre" mit 21 Stücken zu hören waren. Naturgemäß ist es nicht einfach, Doppelungen zu vermeiden, da auf manche Klassiker eben nicht verzichtet werden kann. Das haben NADA SURF aber eindrucksvoll gemeistert. Zudem ist auf die vier Songs vom aktuellen Album zu verweisen. Schließlich repräsentieren die Stücke auch die ganze Bandbreite des NADA SURFschen Schaffens, von nachdenklicher Atmosphärik ('Are You Lightning' oder 'Comes A Time'), über verhaltenden Optimismus ('Inside Love' oder 'Believe You're Mine') und wehmütiger Melancholie ('The Fox' oder 'Blizzard Of 77') bis hin zu erfrischender frohgemuter Dynamik ('Rushing' oder 'When I Was Young').
Zum anderen ist für das Gelingen des Rock-Klassik- Experimentes das Arrangement entscheidend. Einige Bands haben dafür den eigenen Sound reduziert, um den klassischen Instrumenten mehr Raum zu verschaffen. Diesen Weg gehen die US-Amerikaner nicht. Brauchen Sie auch nicht, denn ihre Melancholie und Euphorie verbindende Musik lässt genügend Platz für ein Orchester, ohne dass zum Beispiel auf elektrische Gitarren verzichtet werden muss ('When I was Young'). Und so haben NADA SURF und das Filmorchester Babelsberg mit ihrem Zusammenspiel ein musikalisches Kleinod erschaffen. Den Songs wird durch die Streicher, Bläser, Pauken, Triangeln und anderen Schlaginstrumenten über das sowieso schon vorhandene Maß ungemeine Tiefe und Intensität sowie eine unter die Haut gehende Festlichkeit verliehen. Gänsehaut nicht ausgeschlossen! Einziger Wermutstropfen ist wie auf 'You Know Who You Are' der Track 'Animal'. Das ist aber eine andere Geschichte.
Fazit: All denjenigen, die einmal eine Pause von den Krisen dieser Welt, von dem Ärger auf der Arbeit oder im Privatleben brauchen, sei "Peaceful Ghosts" wärmstens empfohlen. Denn die mit dem Babelsberger Filmorchester "live in concert" eingespielten Songs nehmen den Hörer mit auf eine erholsame und pittoreske Reise an einen locus amoenus, an dem man alles um sich herum vergisst. Euphorie und Melancholie miteinander verbindender "Post-Beatles-Alternative-Rock" mit klassisch-orchestraler Attitüde eben!