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  • Ulver

    | Martin Storf | Konzerte

Dass ULVER eine Band ist, bei der man zumindest bezüglich ihrer musikalischen Ausrichtung wirklich mit allem rechnen kann, dürfte dem versammelten Publikum vor der Werkstatt in Köln bekannt sein. Dementsprechend bunt gemischt sind auch die Besucher in Alter und Auftreten. Da das Konzert, anders als angekündigt, ohne Vorband stattfindet, verschiebt sich der Einlass um unbestimmte Zeit. Das halbstündige Warten bei winterlicher Außentemperatur wird auch nicht durch den Umstand erleichtert, dass sich direkt neben der Werkstatt ein Getränkemarkt mit lecker Kölsch befindet. Als sich die Tore endlich öffnen, empfängt die Fans eine Duftwolke, die eher an sonntägliche Kirchenbesuche erinnert. Räucherstäbchen? Weihrauch und Patschuli? Nun denn.
Um 21 Uhr ist die Werkstatt mittlerweile gut gefüllt. Um die 150 Besucher warten entspannt darauf, dass die Lichter im Raum aus und auf der Bühne angehen. Auf der Leinwand im Hintergrund erscheinen verschwommene Bilder von Tauben und Kathedralen, begleitet von Glockengeläut. Die Räucherstäbchen wurden wohl nicht ohne Hintergrundgedanken angezündet. Während sich sphärische, elektronische Klänge und ein tiefer, summender Bass zu dem Glockengeläut mischen, betreten die Bandmitglieder (unter Ihnen natürlich Kristoffer Rygg und Tore Ylwizaker) die Bühne. Der erste Track im fast vollständig improvisierten Set hört sich im Intro wie „Not saved“ vom Album „Silencing The Singing“ an und wechselt dann über zu „Dressed in Black“ von „Blood Inside“. Mit dem ständigen Gefühl eines „…das klingt doch wie…“ entführen uns ULVER in ihre ganz eigene Welt der Musik, die sie mit zwei Drumsets, Keyboard, Gitarre, Bass, einem obligatorischen Mac und DJ-Set, sowie den Stimmen von Tore und Kristoffer um uns herum aufbauen.

Im nächsten Kapitel des Abends wird uns eine Scherenschnittgeschichte, basierend auf Adam und Evas Vertreibung aus dem Paradies und der Song „England“ vom Album „Wars Of The Roses“ in einer Neuinterpretation gezeigt. Kristoffer brilliert im dramatischen Gesang und das Stück fällt weitaus härter aus, als man es von Platte kennt. Das nächste Stück lässt sich vom Stil und Gesang her auch zu der „Wars Of The Roses“-Platte zählen und steigert sich in eine schon fast drone-artige Atmosphäre, die von einem Sonnenuntergang über der Wüste und Szenen von Primatenkämpfen untermalt wird. Anschließend werden die Klänge stonerlastig, der Bass gibt den Rhythmus vor und bringt auf der Leinwand ein Skelett zum Tanzen, während die Bühne in türkis-blaues Licht getaucht wird. Der Sound wird psychedelischer und erinnert an Stücke von My Sleeping Karma und Monkey3. Vereinzelt steuert Tore düsteren Gesang bei, während der Bassist vollkommen in seinem hypnotischen Spiel aufgeht. Der Track wird immer schneller und erinnert am Ende schon fast an afrikanische Rhythmen.

Der nächste Titel empfängt uns mit einem wispernden, verzerrt klingenden elektronischen Intro, welches stark an den Song „Vigil“ von der Platte „Shadows Of The Sun“ angelehnt ist, jedoch ohne den dazugehörigen Gesang. Die eingesetzten Ketten, die vom Percussionist an das Gong-Gestell geschlagen werden, erinnern an ein Geisterhaus. Das Stück wird im Klangbild immer bedrohlicher und endet in einem sehr basslastigen, düsteren Gitarrenspiel. Im Kontrast dazu der nächste Song, bei dem im Hintergrund hübsche Damen beim Schaukeln zu sehen sind, alles in hellem Rot und Blau. Der Stil geht wieder in die psychedelische Richtung und wird von Gitarre und Klavier untermalt. Im Vergleich zur vorherigen Interpretation wirken die Melodien fröhlich, lichtdurchflutet und erinnern am Ende fast an Shoegaze à la Alcest.

In den folgenden beiden Liedern gehen ULVER zurück zu Alben wie „Perdition City“ und „Metamorphosis“, in denen stark die Einflüsse aus Ambient und Elektro zu erkennen sind. Der Film im Hintergrund zeigt alte Aufnahmen von tanzenden Frauen und Blicke unter wallende Gewänder. Der Beat wird fesselnder, im Publikum ist eine deutliche Bewegung zu erkennen, die schon fast an Tanzen erinnert. Die Bässe sind tief und die Schlagzeuger zeigen, dass sie auch durchaus einiges an Tempo drauf haben. Gemischt mit teilweise unerwarteten (aber wir reden hier ja von ULVER…) Geräuschen von Kuhglocken, afrikanischen Trommeln oder einem scheppernden Klang, der an Mülltonnen erinnert, zeigt hier Kristoffer als DJ, was er zu bieten hat. Das zweite Stück endet so stark elektronisch, dass man schon fast das Gefühl hat auf einer Drum’n’Bass-Party zu sein.

Dem Stil bleibt auch der nächste Track treu, allerdings mit deutlich mehr Tendenzen zum Post-Rock als zuvor. Gitarre, Klavier und sanfte elektronische Klänge weben einen warmen Teppich aus Musik, die man kurz und gut als „schön“ bezeichnen kann. Jedoch steigert sich auch hier wieder das Tempo, und die Melodien erinnern stark an Bands wie God Is An Astronaut und 65daysofstatic. Einige Fans in der Menge zeigen nun, dass man aber auch sehr gut zu schon fast elektro-pop-artiger Musik headbangen kann. Das nächste Stück dürfte wohl ein paar der Anwesenden überrascht haben: Unterlegt von zarten Trommeln und melodischen Klavierklängen präsentiert Kristoffer eine Ballade mit so wunderschönem Gesang, dass die meisten Besucher wohl eine Gänsehaut bekommen haben dürften. Passend untermalt wird der Track wieder mit einem Scherenschnitt-Schattenspiel, das eine Märchengeschichte mit einer Prinzessin im Tierreich zeigt. Doch das dürfte vielen der Zuhörer entgangen sein, da sie dem Lied mit geschlossenen Augen gelauscht haben. Selbst Rygg scheint gerührt zu sein. Mit „Nowhere/Catastrophe“ von „Perdition City“ entführen ULVER die verzauberte Menge noch einmal in ihre ambient-lastigere Klangwelt und wir bestaunen, passend zur Musik, die Erde und den Weltraum auf der Leinwand.

Hiernach verlässt die Band die Bühne, doch da der Applaus nicht abklingen mag, lassen sie sich nicht lange zu einer Zugabe bitten und zelebrieren noch ein weiteren überlangen Song, der vom Stil an das Album „Blood Inside“ erinnert, jedoch wesentlich elektronischer ist. Endlich wird auch die Ausweiskontrolle am Eingang gerechtfertigt, denn im Video ist diesmal eindeutig expliziteres Material zu sehen. Die Bilder erinnern an einen Erotikfilm der 20er Jahre unter Drogeneinfluss und zeigen unter anderem eine ältere, entblößte Dame, die auf dem Porzellanthron sitzt. Nach diesem Stück verlassen ULVER endgültig die Bühne der Werkstatt und die Lichter gehen an.

Nach dem Konzert hatten wir noch Gelegenheit zu einem Interview. Das gibt's hier.

Martin Storf / Solvejg Klein

Ort

Die Werkstatt, Köln

Kategorie

Setlist

(improvisiert)

Spielzeit

80 min

Tags

| Martin Storf | Konzerte

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