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Rumble Militia, Discharge, Ghost Street, Blind Bullet – Schlachthof Bremen (11.10.2014)
| Thorsten Zwingelberg | Konzerte
Woran erkennt man eine gute Band? Im Wesentlichen gibt es zwei untrügliche Anzeichen. 1. Der Kollege Trillmich macht die Haare auf, bevor er sich wieder hinsetzt, um die Show zu sehen. 2. Der Boss Hübner fragt „Rumble…was?“, googelt anschließend den Bandnamen und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um eine miese Band handele. Spätestens jetzt kann man sich entspannt ins Auto setzen und in der Gewissheit nach Bremen fahren, dass einem ein richtig gutes Konzert bevorsteht.
Aber wer will unserem Cheffe schon Vorwürfe machen, denn als Axel B. und ich vor 24 Jahren fast auf den Tag genau im Bremer Schlachthof dem legendären RUMBLE MILITIA Gig im Vorprogramm der Frankfurter Bierthrasher TANKARD beiwohnten, war er ja gerade erst geboren. Entsprechend musste auch RUMBLE MILITIA Frontmann Staffi leicht resigniert feststellen, dass sowohl Band als auch Publikum irgendwie verdammt alt geworden sein. Doch zurück zum Anfang.
Abgesehen von vereinzelten Auftritten, z.B. bei WFF Festival, war es in den letzten 20 Jahren ruhig geworden um die Bremer Polit-Metal-Punkrocker. Als sie nun ihre Auferstehung in heimischen Gefilden ankündigten, war natürlich klar, dass Axel B. und ich unsere alten Knochen mal wieder auf die Piste werfen und uns ebenfalls in den Schlachthof begeben würden und wenn es nur darum gehen sollte in Erinnerungen an die gute alte Zeit zu schwelgen. Tanja ist als neutrale Beobachterin mitgefahren und unser Wahl-Berliner Allround-Experte Trillmich war vor allem wegen der britischen Hardcorelegende DISCHARGE angereist.
Nachdem sich bei unserer Ankunft am Schlachthof herausgestellt hatte, dass es sich bei dem Meer von Campingwagen nicht etwa um reisende RUMBLE MILITIA Fans handelte, sondern um einen Jahrmarkt, trafen wir vor den Toren des Kulturzentrums dennoch auf eine recht beachtliche Zahl von Musikfreunden verschiedenen Alters und unterschiedlichster Couleur: Junge Mädchen im Punkoutfit, altgediente Punkrocker, Kuttentragende Metalheads, Tussis, Mitglieder eines Mofa-Clubs und unscheinbare Gestalten in schwarz-gelben Trainingsjacken.
Während sich der Großteil des feiernden Volkes noch im Außenbereich verlustierte, wurde einem im inneren des Schlachthofs bereits der ansprechende Rotzrock BLIND BULLETS um die Ohren gebraten. Die Punk’N’Roller aus Bremen stellten ihre aktuelle EP „Alien Flag“ vor und konnten sich zumindest einen Achtungserfolg erspielen. Tanjas Vermutung, dass es sich bei den Jungs wohl um die beste Band des Abends handeln würde, erwies sich zwar nicht ganz als richtig, für meinen Geschmack rangierte die Combo aber gleich hinter RUMBLE MILITIA. Kollege Trillmich, in Insiderkreisen ja auch als uneheliches Kind von Elvis und Lemmy bekannt, war vor allem vom TURBONEGRO Cover begeistert. Kurz und gut: der Geneigte Rotzrockfan zog jedenfalls vor dem Auftritt der Jungs ehrfürchtig das schwarze Lederkäppi.
Und dann standen plötzlich THE EXPLOITED auf der Bühne. Na ja, zumindest optisch fühlte man sich bei CHOST STREET kurzeitig an Wattie Buchan erinnert, der sich Verstärkung aus dem SUICIDAL TENDENCIES Lager geholt hatte. Musikalisch feuerte die Punkrockkapelle aus allen Rohren und überrollte die anwesende Musikgemeinde geradezu mit ihrer Mischung aus aggressivem Punkrock, gemäßigtem Crustcore und deutschen Texten von ihrem 2012er Debüt „Ihre Agenda“, das in Fachkreisen durchaus auf Beachtung gestoßen war. Mit genuin punkigen Themen wie chronischer Arbeitsunlust etc. führte Frontpunker Teasy durch den Abend. Auf jeden Fall ziemlich brutal.
Nun hatten wir eigentlich DISCHARGE erwartet, aber den Briten war offenbar der Headlinerposten zugefallen, so dass RUMBLE MILITIA als dritte Band die Bühne enterten – von uns zunächst unbemerkt. Doch die ersten Noten von „Boys In Blue“ ließen uns schnell aufhorchen. Die Bremer hauten dann auch schnell einen Klassiker nach dem anderen durch die Boxen und Staffi legte alle Vorfreude auf den heutigen Abend in seine Performance. Axel B. bemerkte ganz richtig, dass man die alten Klassiker der Band auch nach 20 Jahren noch problemlos ohne viel Vorbereitung mitsingen konnte. Es folgten Songs wie „Liebe“, „A.M.F.“, „Wieviel Hass wollt ihr noch?“, „Reflection of your Videoprogramme“, „Nuclear Warfare“, „You’re Sure“, „Chile under Pinochet“, “Human Being” oder „Stop Violence and Madness“. Eine Reise durch die RUMBLE MILITIA Bandgeschichte also. Natürlich fehlten mir Songs wie “Can’t Understand“ und „Way of Violence“. Aber mit eine kraftvollen Version von „Full of Danger“ und dem obligatorischen „No Nazis“ haben die Rumble Jungs die Herzen ihrer Fans höher schlagen lassen. Zumal die Band mit zunehmender Spielzeit immer mehr auftaute und immer lockerer frei von der Leber weg spielte. Im Übrigen etwa proportional zur Menge des Gerstensaftes, die Musikolloge Dr. Trillmich seiner Leber zumutete. Mit Blick auf den 6. Oktober 1990 muss man natürlich festhalten, dass die Stimmung damals aufgrund eines Zusammenstoßes mit Neo-Nazis vor dem Club ungleich aufgeladener war, als dass am heutigen Abend der Fall war – damals wurden sogar TANKARD noch mit „No Nazis“ Rufen auf die Bühne geholt. Apropos TANKARD – zumindest Axel B. und ich befanden uns nach dem gelungenen RUMBLE MILITIA Gig in bester Stimmung hätten nichts dagegen gehabt, wenn nun die Frankfurter Thrasher auf die Bühne gekommen wären, um uns einige musikalische Weisen über „Space Beer“, die „Chemical Invasion“ oder „The Meaning of Life“ darzubieten. Na ja, aber vergangen ist wohl vergangen.
Statt TANKARD enterte eine andere Kultband der Steinzeit die Bühne: die britischen Hardcorespezialisten DISCHARGE. Zwar hatte die Darbietung der Kapelle wenig mit dem 90er Jahre Werbeslogan „Wenn schon Hardcore, dann Tabu-Videos“ zu tun, dafür zerlegten Fans und Band den Club jedoch feinsäuberlich in seine Einzelteile. Da wurde gedroschen, geschriehen und gewütet bis der Arzt hätte kommen müssen, aber der ist wahrscheinlich auf der übergroßen Bierlache kleben geblieben, die sich mittlerweile zwischen Haupteingang und Biertheke gebildet hatte. Die Zahl der Zuschauer hatte zwar nach dem RUMBLE MILITIA Gig etwas abgenommen, aber es blieben doch noch genug zerstörungswütige Jung- und Altrocker vor der Bühne stehen, um ihre alten Idole amtlich abzufeiern. My cup of tea sind die Jungs nicht, da mir der wütende Rumpelpunk dann doch zu eintönig klingt.
Was bleibt vom Abend? Beim Kollegen Trillmich vermutlich ein stechender Kopfschmerz, bei Axel B. und mir wehmütige Erinnerungen an ein legendäres Konzert im Jahr 1990 und die Freude über einen gelungenen RUMBLE MILITIA Auftritt anno 2014 und bei Tanja die Gewissheit einem insgesamt gelungenen Konzert mit ganz gemischter Mucke und ein paar kühlen Bieren beigewohnt zu haben. Und auch wenn die Besucher in Würde gealtert sein sollten, eins hat sich im Bremer Schlachthof in den letzten 24 Jahren sicherlich nicht geändert: Es ist nach wie vor der lauteste Club in dem wir jemals gewesen sind!
(c) Bilder by Axel B.
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