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Majesty, Bloodbound, Evil Invaders – Bremen, Tivoli (3.4.2015)
| Thorsten Zwingelberg | Konzerte
“Haltet mich nicht auf, denn der Herr hat Gnade zu meiner Reise gegeben.“ (1.Mose 24,56) Eine vielversprechende Tageslosung für den Karfreitag – vor allem wenn man sich aus Hildesheim auf den Weg macht, um im entfernten Bremen MAJESTY und BLOODBLOUND zu bestaunen, ach ja, und EVIL INVADERS meinetwegen auch. Doch die Wege des Herrn sind bekanntlich häufig unergründlich.
Nun gut, die Tatsache, dass die Bewohner Wolfenbüttels selbst mit Navi nicht auf Anhieb den Weg nach Hildesheim finden, ist nun noch kein Grund zur Sorge, sondern eher einkalkulierter Normalfall. Und gut geplant ist ja bekanntlich halb gewonnen. Daher haben wir ausreichend zeitlichen Puffer in die Abendplanung eingebaut, um das Beste aus beiden Welten zu bekommen: Schnitzel und Heavy Metal.
Pünktlich um 17.30 Uhr standen wir daher in einer sonnigen Hildesheimer Lokalität Gewehr bei Fuß, um in den von der Werbung versprochenen „Schnitzelurlaub“ aufzubrechen. Bis zur Lieferung der Getränke lief auch alles noch nach Plan. Doch spätestens anderthalb Stunden später, als Hennig auch nach größtem Bemühen nicht länger ohne ein zweites Bier auskommen konnte, nahm das Schicksal seinen Lauf. Auf den Verbleib der Schnitzel angesprochen, versuchte der Kellner zunächst ganz im Stile der großen Politik zu beschwichtigen: Von einer Verzögerungsmeldung sei ihm derzeit nichts bekannt. Na ja, uns aber umso mehr, denn schließlich warteten wir ja bereits seit einer Stunde. Erfahrungen, die man sonst nur von zentral gelegenen Hildesheimer Mexikanern kennt. Die Ereignisse überschlugen sich: Ein bedröppelter Kellner meldet kurze Zeit später, dass es einen Fehler im System gegeben habe, die Schnitzelbestellung sei somit im schwarzen Loch verschwunden. Daraufhin wurde der Mann aus der Schusslinie genommen und die Vorgesetzte kommt mit apologetischen Gesten an den Tisch, schiebt alle Schuld auf die Unfähigkeit des Kellners eine Bestellung korrekt und unter Stress in das System einzugeben und erlässt uns die Getränke. Tja, Hennig, der schlaue Fuchs, hatte ja gerade noch ein zweites Getränk bestellt. Verdammt. Warum die Bestellung dann, auch wenn man sie als Notfall getarnt vorziehen würde, trotzdem 45 Minuten dauern sollte, ist mir bis heute nicht klar. In der Zeit brate ich mir Schnitzel, für die ich zuvor erst noch das Schwein schlachten muss. Der angeblich sonnige Schnitzelurlaub wurde somit zum Fall für den RTL-Urlaubsretter, Kellner und Köche bekommen eine Statistenrolle bei den Kochprofis und anstatt der von der Firmenleitung auf der Website versprochenen „Sonneninsel im Meer des Alltags“, hatte ich den Eindruck gerade mal wieder vorzeitig die totale Sonnenfinsternis erlebt zu haben. Wenn das der tägliche „Kurzurlaub vor der eigenen Tür“ ist, dann weiß ich zumindest wieder, warum ich so ungern in den Urlaub fahre. Der Kollege Lison hat doch wirklich Recht: Zuhause ist es am schönsten. Nun ja, abschließend sage ich nur: Das Spitzenfeld meiner berüchtigten roten Liste hat sich am gestrigen Abend nochmal deutlich verändert. Um nicht zu verhungern und angesichts der Tatsache, dass es nun doch langsam schwer werden würde, um bei Konzertbeginn um 21 Uhr vor der Bühne zu stehen, entschiedenen wir uns für einen kleinen Snack bei einer amerikanischen Schnellimbisskette deren Namen an eine U-Bahn erinnert. God bless America!
Die zügige Fahrt auf den deutschen Autobahnen machte zunächst Hoffnung auf einen versöhnlichen Ausklang des Abends. Wie der ICE zwischen Göttingen und Hildesheim konnten wir sogar Zeit wieder gut machen, so dass das Navi um 20.34 Uhr eine verbleibende Fahrtzeit von 14 Minuten prognostizierte. Allerdings hat die japanische Schlampe im Inneren des vollkommen überteuerten Reisebegleiters meines japanischen Badmobils verschwiegen, dass es kurz nach der letzten Ausfahrtsmöglichkeit zur Vollsperrung gekommen war. Die Verkehrsmeldung war ja auch erst seit über einer Stunde draußen. Also hieß es Motor aus, Fenster auf uns warten…warten…warten…warten. EVIL INVADERS rückten vollkommen aus dem Bereich des Möglichen – allerdings hielten wir das alle für einen zu verkraftenden Verlust. Schließlich wollten wir alle vor allem BLOODBOUND sehen. Diese hatten ja nicht nur ein sensationelles Album veröffentlicht, sondern sind live auch nicht so häufig in unseren Breiten unterwegs wie etwa MAJESTY.
Lange Rede, kurzer Sinn. Gegen 22 Uhr setzte sich die Blechlawine langsam wieder in Bewegung, einige Meter ging es in vielversprechendem Tempo voran, bevor wir uns ins gemütliche Schritttempo zurückfallen ließen. Ankunft am Tivoli: ca. 22.30 Uhr.
Vorbei an wenig vertrauenswirkenden Bewohnern der lokalen Mietskasernen, erreichten wir schließlich die Tore des Tivoli und waren fast guter Hoffnung, nun am Ziel der Reise angekommen zu sein.
Doch da hatte ich die Rechnung ohne den mystischen Gralswächter, den Hüter der sieben Tore, den Yaksha des Tivoli gemacht. Das alte Männchen kauerte unscheinbar auf seinem Thekenstuhl, halb versteckt hinter den Türen des Eingangs und wartete auf die letzten Reisenden. Vor sich einen handgeschriebenen Zettel – teils in unleserlich, teils offenbar in elbisch verfasst: Die Gästeliste des heutigen Abends. „Thorsten Zwingelberg? Twilight? Kenn ich nicht. Steht hier nicht. Hab ich nicht drauf.“ (Gedankenblase: Ich mache eine Hulk-ähnliche Verwandlung durch, heiße Lava läuft mir aus den Mundwinkeln, mit einer riesigen Streitaxt setze ich dem Treiben des vermeintlich unsterblichen Eingangsgnom ein Ende und verfüttere seine Überreste an die mich begleitenden Höllenhunde…). Dank der pädagogischen Ausbildung und voller Überzeugung, dass entdeckendes Lernen auch dem größten Vollpfosten noch das Überleben im 21. Jahrhundert ermöglicht, versuche ich dem gnadenlosen Kassenwart zunächst mittels meines E-Mail-Verlaufs mit der Plattenfirme klar zu machen, dass ich auf der Gästeliste stehe. Auf derartigen modernen Schnickschnack lässt sich mein Gegenüber jedoch gar nicht erst ein. Offenbar hat für ihn nur ein auf purpurnem Pergament und mit Blut geschriebenen Beglaubigungsschreiben von Ronnie James Dio bestand – oder eben eine handgekrizelte Gästeliste. Dem Hinweis, dass ich für BLOODBOUND auf der Gästeliste stehen müsse, begegnet er mit dem messerscharfen Kommentar, dass die doch ohnehin schon lange fertig sein (Gedankenblase 2: Irgendetwas mit einem schweren Panzer und einem Flammenwerfer….) .
Die Lösung des Problems schien dem guten Mann zu sein, dass ich doch mal eben den Kontaktmann der Plattenfirma anrufen solle, um das Problem zu schildern. Karfreitag! !m 22.39Uhr! Auf die Idee hätte ich glatt selber kommen können. Der Vorschlag mit vielleicht mal den Tourmanager oder etwas in der Art an die Tür zu holen, wurde hingegen als vollkommen abwegige Idee verworfen. Aber die Lösungen liegen ja auch manchmal näher als man denkt. Was in der Flut der ca. 6 auf dem Handzettel vermerkten Namen schon mal untergehen kann, ist die Tatsache, dass sowohl das Twilight als auch mein Name als letzter von drei Personen unter dem Bandnamen BLOODBOUND notiert waren. Nun gut, der Torwächter hatte jedoch seinerzeit in den Drachenkriegen zunächst das eine Auge und im Kampf um Minas Tirith dann vor Schreck die Lesefähigkeit verloren. Und so begab es sich schließlich, dass wir pünktlich zum Intro von MAJESTY in die Halle gelangten.
Hatte ich jetzt noch Bock auf MAJESTY? Nein. Zwar hatte die deutsche Antwort auf MANOWAR live noch nie enttäuscht, aber dafür habe ich sie auch schon drölfmal gesehen und war zudem verärgert darüber, dass mir BLOODBOUND durch die Lappen gegangen waren. Ohnehin vermittelte das Innere des Tivoli den Eindruck, dass das Konzert seit mindestens zwei Stunden vorbei sei. Vor der Bühne tummelten sich noch ca. 50 Bierleichen gehobenen Alters und mit schütterem Haar, sowie Angehörige der Vorbands, die sich in der zweiten Reihe aufhielten und im Falle von EVIL INVADERS den Eindruck erweckten, dass die Optik der späten 80er Jahre niemals aus der Mode gekommen sei.
MAJESTY zeigten sich wie immer spielfreudig und präsentierten eine ganze Reihe neuer Songs: „Hawks Will Fly“, „Generation Steel“, „Shout At The World“, „The Last Reward“ oder„War For Metal“. Daneben gab es Kurzbesuche auf den älteren Werken und der lederne Fünfer schrubbte Songs wie „Thunder Rider“, „Metal Union“ oder „Metal Law“ aus ihren Äxten. Natürlich durften Evergreens wie „Sword And Sorcery“ oder „Into The Stadium“ nicht fehlen. Doch vor allem bei letzterem Song zeigte sich, dass Frontmann Tarek stimmlich nicht ganz auf der Höhe war. Vor allem die erste Strophe ging gewollt oder ungewollt vollkommen in die Hose und die Hochlagen des Songs blieben unerreicht – daher leider eine schwache Performance des stärksten Songs im Set der True Metaller. Auf „Heavy Metal Battlecry“ oder „Metal to the Metalheads“ wurde verzichtet, dafür nahm sich die Band die Freiheit, um die fleischgewordene Pinkelpause einer jeden Metalshow einzubauen: Drumsolo und Gitarrensolo. Der Sinn und Reiz dieses Pendants zum Deutschen Fernsehballet war mir in grauer Vorzeit schon bei METALLICA nie so richtig klar geworden. Auch bin ich kein Fan von Playbackeinspieler, auch wenn diese dazu beitragen, dass die Chöre irgendwie voller klingen. Die CD kann ich mir aber auch zuhause anhören. Um 00.30 Uhr war dann endgültig Schluss und wir versuchten noch eine Portion Pommes in der Frittenbude des Tivoli zu bekommen – dies funktionierte aber auch erst, nachdem die nette Dame an der Fritteuse mal kurz von ihrem Smartphone aufblickte. Offenbar braucht man hier ne Pommes-App, um auf sich aufmerksam zu machen.
Zwar war ich auf dem Weg zum Auto der festen Überzeugung entweder gar kein Fahrzeug mehr vorzufinden, oder doch zumindest ein Auto mit deutlich sichtbaren Einbruchsspuren oder ohne Reifen. Doch diese Vorahnung erfüllte sich nicht und wir konnten die Heimreise antreten.
Doch erwartungsgemäß sollte der Abend doch wenigstens noch ein Highlight für uns vorhalten. Während ich das Badmobil kurz vor unserem Heimathafen bereits auf der rechten Autobahnspur in den Landeanflug brachte, tauchte im Kegel der Scheinwerfer plötzlich ein flauschiges Etwas vor uns auf, gut getarnt in Betonfarben und friedlich chillend. Und, liebe Kinder, warum der Osterhase nun am Sonntag nicht mehr bei euch vorbei kommt, dass erzähle ich euch in der nächsten Folge von „Warum man lieber zuhause fernsehgucken sollte!“ Dass das Radio gerade "Live Again" von SHADOWQUEST spielte, passte irgendwie zum bisherigen Verlauf des Abends!
Wieder einmal hat sich der Kollege Lison als einzig wahrer Prophet erwiesen: Zuhause ist es nicht nur am schönsten, sondern da hat man auch seine Ruhe. Urlaub ist für den Arsch, auch wenn es nur ein Schnitzel-Urlaub ist. Nichts als Ärger und hinterher braucht man die Erholung mehr als vorher.
Und überhaupt hatte sich doch in den letzten Jahren mein Motto „Kommt die Band nicht zu mir, dann müssen sie halt ohne mich auskommen.“ durchaus bewährt. Ich hab jedenfalls alle weiteren auswärtigen Termine für dieses Jahr noch in der Nacht abgesagt!
(c) alle Bilder: Die jeweilige Facebook-Seite der Bands.