Sie machten sich auf, um den Rock zu retten, so suggeriert es zumindest der programmatische Titel der Tour: Defenders Of Rock! Als Doubleheadliner Tour konzipiert, war mir schon vor Konzertbeginn klar, wer hier als Sieger rausgehen würde, doch ich war durchaus bereit, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen.
Gegen 20.30 Uhr enterten dann die Hanseaten, die wäre es nach unseren Zählungen gegangen eigentlich heute Headliner hätten sein sollen, die Bühne des semi-vollen Musikzentrums. Und ich muss sagen, dass mich die ersten beiden Songs doch positiv überraschten: flott, rockig und gut vorgetragen. Kingdom Come Basser Frank Binke erweckte jedoch eher den Eindruck, bei Rammstein zu spielen. Ohnehin erinnerte man optisch nicht wirklich an eine Hardrockband, aber das ist ja heute oft der Fall.
Nach den zwei Begrüßungsstücken nahm die Band jedenfalls deutlich das Tempo aus dem Set und der Drummer beschränkte sich die nächste Stunde auf eine monotones, robotisches Bumm-Bumm und Lenny Wolf jaulte wie eben dieser. Positiv verpackt würde man also sagen: sie groovten mit schwerem gerät über die Bühne. Ich fand es nach einer Weile nur noch langweilig und eintönig. Dennoch, den Fans hat es gefallen und sie haben die Kapelle eigentlich gut abgefeiert.
In der Umbaupause wurde mir dann zugetragen, dass Dokken in den vergangenen Tagen nicht besonders überzeugend gewesen sein. Doch davon ließ ich mir meine Erwartungen nicht verderben.
Mit „Kiss Of Death“ stürmte die aktuelle Dokken Besetzung auf die Bühne. Basser „Barry Sparks“ hatte ich zu letzt live mit Yngwie Malmsteen gesehen, er hatte jedoch nichts von seiner Spielfreude und Virtuosität verloren, und der „Iggy Pop“ in jung verschnitt, entpuppte sich als Jon Levin, der bereits auf Doros Force Majeur in die Saiten gegriffen hatte.
Don Dokken kam schließlich mit fieser Sonnenbrille und stark an Spinal Tab erinnernder Curry-Pommes Matte auf die Bühne. Doch während der Anblick des optisch 100jährigen, übergewichtigen Frontmanns nicht zu den Highlights des Abends gehörte, sorgten die vor der Bühne sich gegenseitig befummelnden Rockschnitten für die optische Komponente eines gelungenen Hardrockabends.
Dokken machten unglaublichen Druck und mir persönlich gefiel die Playlist super: „Paris Is Burning“, „Dream Warrior“, „The Hunter“, It’s Not Love“, „In my Dreams“ oder „Into The Fire“ ließen einfach keine Langeweile aufkommen. Stimmlich war der gute Don zwar sichtlich angeschlagen und klang, trotz guter Ölung durch seine Whiskey Mischungen, etwas rau, die Performance der Kapelle zeigte aber schnell, dass Kingdom Come im direkten Vergleich mindestens zwei Ligen unter den Amis rangieren. Das verträumte „Alone Again“ bot den Anwesenden etwas Zeit zum verschnaufen und selbst das von der unsäglichen „Dysfunctional“ Scheibe stammende „Too High Too Fly“ konnte mich überzeugen – lediglich das ewige Gedudel im Mittelteil wirkte etwas abtörnend und nahm Schwung aus dem Set. Als der Zugabenteil schließlich mit „Tooth And Nail“ eröffnet wurde, war spätestens klar, dass es heute nur einen Sieger geben konnte: Dokken. Donnernde Double Bass, schnelle Gitarren und pure Energie strahlten aus dem Song aus. Geil.
Auch wenn die Expertenrunde an den Pissoires nach dem Gig mit Dokken nicht so zufrieden gewesen zu sein scheint, muss ich sagen, dass mich die Show der Jungs trotz der optischen Härte, voll überzeugt hat. Natürlich hätte ich mir noch „Lightning Strikes“ gewünscht, trotzdem hatte die Playlist für mich keine Aussetzer und es war endlich mal wieder ein Konzert, bei dem ich mir nicht das Ende herbeigewünscht hatte – für dieses Gefühl hatten Anfangs ja Kingdom Come schon zur Genüge gesorgt!