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Vielleicht ist es das Ungleichgewicht dieser Gefühle, das so viel Ärger in der Welt macht.
Im Land der Emotionen – Interview mit Andreas Blomqvist von SEVENTH WONDER

Vor nunmehr 22 Jahren wurden SEVENTH WONDER von Basser Andreas Blomqvist, Gitarrist Johan Liefvendahl und Schlagzeuger Johnny Sandin gegründet. Mit „The Testament“ haben die Melodic-Prog-Metaller nicht nur ihr bis dato siebtes Album, sondern auch eine der besten Scheiben des Jahres 2022 abgeliefert. Tieftöner Blomqvist ließ sich zwar etwas bitten, rückte dann aber doch mit einigen Antworten raus.
Vor nunmehr 22 Jahren wurden SEVENTH WONDER von Basser Andreas Blomqvist, Gitarrist Johan Liefvendahl und Schlagzeuger Johnny Sandin gegründet. Mit „The Testament“ haben die Melodic-Prog-Metaller nicht nur ihr bis dato siebtes Album, sondern auch eine der besten Scheiben des Jahres 2022 abgeliefert. Tieftöner Blomqvist ließ sich zwar etwas bitten, rückte dann aber doch mit einigen Antworten raus.

Zwischen „The Great Escape“ und “Tiara” lagen ganze acht Jahre. Von „Tiara“ zu „The Testament“ dauerte es ledig vier Jahre und außerdem gab es 2019 noch die „Tiara-Acoustic“ 2-Track EP. Auf den ersten Blick scheint es fast, als habe die Pandemie letztlich dabei geholfen, das neue Album fertig zu stellen. Doch der Schein trügt…

„Nein, nicht wirklich“, sagt Blomqvist. „Die Zeit zwischen „The Great Escape“ und „Tiara“ war sehr besonders. Wir haben in der Zeit ja auch ein Live-Doppelalbum mit zwei neuen Studio-Tracks und ein Video veröffentlicht. Außerdem erschien „Tiara“ erst sechs Monate nach Fertigstellung, so dass der Abstand zwischen den beiden Alben extremer erscheint als er tatsächlich war. Ich denke, dass wir damals so schnell gearbeitet haben, wie es uns möglich war. „Tiara“ wurde im Frühjahr 2018 veröffentlicht und wir haben dann für das Album getourt. Die Tour endete im September 2019 in den USA. Es kostete uns dann eineinhalb Jahre, um das neue Album zu schreiben und zu arrangieren. Wir haben mit den Aufnahmen der Drums dann im April 2021 begonnen und am Ende des Jahres war das Album im Kasten. Mit Blick auf Corona kann man also sagen, dass die Pandemie gar keinen Einfluss auf das Album hatte. Wir hatten sogar das Glück genau rechtzeitig mit unserer Tour fertig zu werden, bevor Corona einschlug. Wir wären zu dem Zeitpunkt also ohnehin in den Schreibmodus gewechselt. Wir müssen aber auch auf Tommys KAMELOT-Zeitplan (Tommy Karevik singt auch bei KAMELOT – TZ) achten, was wahrscheinlich der wichtigste Grund dafür ist, dass wir nicht schneller arbeiten können.“  

Vom Titel her klingt „The Testament“ natürlich sehr final. Um wessen Testament geht es denn dabei? Das der Menschheit? Gibt es einen religiösen Hintergrund?

„Nein, es gibt keine Story oder so hinter dem Titel. Der Titel fiel mir ein, als ich über die Lyrics nachgedacht habe. Was lassen wir tatsächlich zurück, wenn wir einmal sterben? Sind es nicht die Beziehungen, die wir eingegangen sind? Ich denke schon. Beziehungen wiederum werden von all diesen Gefühlen bestimmt, die uns menschlich machen. Ich denke daher, dass das was wir letztlich hinterlassen irgendwie unsere Geschichte ist, unser Vermächtnis, unser Testament dessen, was wir waren.“

Diese besagten Emotionen sind den unterschiedlichen Songs zugeteilt und im Booklet entsprechend hervorgehoben. So ist „Warrior“ mit „Verlangen“ verknüpft, „The Light“ mit „Freude“ und so weiter. Kannst du kurz erklären, was die unterschiedlichen Emotionen der Songs für dich bedeuten?

„Das ist eigentlich das, was wir versuchen in den Texten rüberzubringen, so dass es vermutlich wenig Wert hat, diese Dinge hier nochmal kurz darzustellen. Ich werde es aber trotzdem versuchen.

- „desire“: Verlangen ist der Treibstoff des Menschen, der Antrieb, der Motor, das was uns vorwärtstreibt, uns die Grenzen überschreiten lässt und die Latte höher legt. („Warrior“)

- „joy“: Freude ist wohl der erstrebenswerteste Zustand aller menschlichen Emotionen. Vielleicht ist es das, wonach wir alle streben. („The Light“)

- „despair“: Verzweifelung ist das Gegenteil von Freude, die düsterste, tiefste, einsamste Hölle auf Erden, die man sich vorstellen kann. („I Carry The Blame“)

- „anger“: Wut ist nicht so weit von Verlangen entfernt, aber mit einem kleinen Dämon auf unserer Schulter, der uns ins Ohr flüstert. Auch ein Antrieb, aber aus den falschen Gründen. („The Red River“)

- „love“: Liebe ist das schönste aller menschlichen Gefühle. Möglicherweise die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, wenn du mich fragst. („Invincible“)

- fear“: Angst hat die Tendenz uns zu beschränken und von Dingen abzuhalten, großen wie kleinen. Sie erstickt dich, fesselt dich und ist wirklich ein Seelenkiller. („Mindkiller“)

- „hope“: Hoffnung ist das Gegenmittel für Verzweiflung. Sie hilft, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Man merkt, dass es einen Weg heraus gibt. („Under A Clear Blue Sky“)

- „sadness“: Traurigkeit ist oft eng mit Verzweiflung verbunden, ich sehe sie hier aber eher im Kontext von Verlust. Der Verlust einer Gelegenheit, einer Person, eines Gefühls, einer Zukunft, du suchst dir etwas aus. Der Verlust. Traurigkeit kann auch eine sehr schöne Sache sein und ist daher wohl die komplexeste der hier genannten Emotionen. („Elegy“)“

Auf euerer Facebook-Seite erklärt ihr verschiedene Song und deren spezifische Emotion. Weshalb war euch das wichtig?

“Tun wir das? Hhmmm…. ich bin nicht ganz sicher, worauf die anspielst. Ich habe vor einiger Zeit ein Interview mit einem italienischen Reporter gemacht und unser Webmaster hat es übersetzt. Meinst du das? Ich dachte wohl, dass das Interview auch für Fans außerhalb Italiens interessant sein könnte.“

Tatsächlich werden einzelne Songs des Albums auf der FB-Page vorgestellt und Andreas erklärt einiges zu den Hintergründen der Songs. Bislang ist man allerdings lediglich bis zum Gefühl „love“ gekommen. Den Weg zu dem Post findet ihr HIER

Zufällig habe ich gerade neulich einen Artikel darüber gelesen, dass der Mensch mehr negative Gefühle hat als positive. Was sagt uns das über den Menschen?

„Ich denke, dass wir es hier mit so einer Ying-Yang Sachen zu tun haben. Ich glaube, dass all diese Gefühl vorhanden sein müssen, damit wir menschlich sind. Wir brauchen jedoch eine Balance, zumindest langfristig. Vielleicht ist es das Ungleichgewicht dieser Gefühle, das so viel Ärger in der Welt macht. Wer weiß? Aus evolutionärer Sicht hat uns die Natur wohl mit einem „better safe than sorry“ Ansatz ausgestattet. Zögerlich und skeptisch zu sein ist letztlich wohl ziemlich gesund.“

„Hass“ fehlt aber beispielsweise in eurer Auflistung…


„Ich schätze, dass noch einige andere Gefühle fehlen, z. B. Hingabe, Sorge, Ruhe, Zufriedenheit usw. Wir hatten nie vor ein umfassendes Bild zu malen. Wir hatten neun Songs und als ich mit Tommy am textlichen Konzept gearbeitet habe, fanden wir, dass dies ein ganz cooles Konzept wäre. Wir haben also angefangen und einfach einige Emotionen aufgeschrieben. Diejenigen, die am besten zu den einzelnen Songs passten, wurden dann ausgesucht.“

Bevor ich mir die CD gekauft habe, hatte ich lediglich die digitale Promo ohne Lyrics. Vom Hören allein hatte ich das Gefühl, dass die übergeordnete Stimmung der Songs eher positiv und hoffnungsvoll ist, auch wenn die Protagonisten womöglich durch harte Zeiten gehen müssen. Würdest du dem zustimmen?
„Vielleicht hast du recht. Die einzige bewusste Entscheidung war, dass wir die negativen Gefühle mit den eher positiven Gefühlen ausbalancieren wollten. Und der Protagonist findet in einigen Songs tatsächlich einen Weg. Ich denke aber, dass wir in erster Linie fröhliche Musik machen, die sich selber dann ein Happy End sucht.“

In einem großen deutschen Magazin schrieb der Rezensent, dass ein Song wie „Under A Clear Blue Sky“ den heutigen Hörer überfordern könnte, da er solch komplexe Teile hat. Ich finde hingegen, dass es euch gerade in diesem Song gelingt die komplexen Prog-Parts so geschickt in den eingängigen Song einzuweben, dass der Hörer die Übergänge gar nicht immer gleich wahrnimmt. Oft denkt man erst im Nachhinein: „Huch, was war das denn gerade.“ Wie siehst du den Song denn?

„Nun, ich bin natürlich voreingenommen, da es mein Song ist. Aber ja, wir sind in diesem Genre, weil wir es lieben mit komplexem Zeug herumzuspielen und ich denke, dass viele unserer Fans das gut finden. Mir macht es großen Spaß, diese Dinge zu erschaffen, so viel ist sicher. Ich bin mir aber auch sicher, dass ich niemals die Hits schreiben werde. Wir brauchen wohl beide Arten, denke ich. Und ich schreibe meist die abgedrehten und komplexen Sachen, obwohl „Invincible“ auch größtenteils von mir stammt – mit einem grandiosen Chorus von Kyrt (Andreas Söderin – Keys – TZ).“

Am Anfang des Jahres schien es allerdings einige Probleme ganz anderer Art gegeben zu haben, nämlich mit den großen Streaming-Plattformen. Das scheint mittlerweile geklärt, aber was war denn da los?

„Nein, leider ist es noch nicht gelöst. Es war teilweise unsere Schuld, da wir nicht aufmerksam genug waren. Es gab ein Copyright Problem und ein alter Deal war nicht länger gültig, so dass die Songs verschwunden sind. Wir arbeiten aber daran, um das Problem zu lösen.“

Und auch die Vinyl-Liebhaber mussten schnell sein, um ein Exemplar der streng limitierten Scheibe zu bekommen. Weshalb gab es denn lediglich diese Mini-Auflage und keine reguläre Auflage für alle?

„Oh, das ist eine Frage für unser Label. Da haben wir kein Mitspracherecht und ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, dass es eine limitierte Auflage gab.“

Bild Copyright:
(C) Photos by Stefano Vecchiati and Tim Dardis - Photo editing by Giannis Nakos

Infos

  • Erstellt am

    23. September 2022
  • Line Up

    Johan Liefvendahl – guitar
    Andreas Blomqvist – bass
    Tommy Karevik – vocals
    Andreas Söderin – keyboards
    Stefan Norgren - drums
  • Redakteur

    Thorsten Zwingelberg