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Dark Tranquillity

Am Rande des letzten Konzerts von DARK TRANQUILLITY in der alt-ehrwürdigen Frankfurter Batschkapp hat sich Martin Storf einen gut gelaunten Mikael Stanne geschnappt, seines Zeichens Gründungsmitglied und Sänger der schwedischen Melodic Death Metal Institution, um mit ihm über Musik und die Welt zu reden.

Mikael, Willkommen zurück in Frankfurt und der Batschkapp! Ihr wart ja schon einige Male hier.

Oh ja, wir waren schon oft hier. Ich glaube, das ist der einzige Ort an dem wir bisher in Frankfurt gespielt haben.

Und es wird das letzte Mal sein, weil sie umziehen wird.

Eigentlich schade, es ist ein richtig cooler Ort. Wir hatten hier einige wirklich gute Shows. Es ist das Ende einer Ära.

Im Sommer hat Twilight schon ein Interview mit euch über das letzte Album gemacht, deswegen werde ich diesmal nicht viel darauf eingehen. Nur eine Frage: Von „Construct“ habt ihr einige verschiedene Versionen mit unterschiedlichen Bonustracks veröffentlicht, etwa für Japan und Südkorea. Warum?

Ja, das ist immer etwas speziell, gerade für Japan. Man braucht immer ein Bonus, um den Import der Scheibe zu verhindern und so den Verkauf vor Ort zu sichern. Für uns fühlt sich das seltsam an, weil wir immer alle Songs auf dem Album haben wollen. Es ist eigentlich etwas frustrierend, aber auf der anderen Seite wollen wir auch, dass die verschiedenen Distributoren glücklich mit uns sind.

Gibt es noch andere übrig gebliebenen Songs aus den Aufnahmesessions?

Ja, es gibt noch einen Song, der noch nicht veröffentlicht ist. Vielleicht verwenden wir den für eine Tour-Edition oder als digitalen Download, so ganz sicher sind wir uns da noch nicht.

Lass uns ein bisschen über das Touren reden. Ihr seid jetzt in der Mitte einer monatelangen Tour bis April. Bist du immer noch aufgeregt, wenn es endlich wieder los geht?

dark tranquillity-construct aAuf jeden Fall! Du versuchst jedes Mal, die Tour zu verbessern. Mit einer besseren Crew oder einer besseren Supportbands. Oder einer spannenden neuen Setlist. Das ist, was dich antreibt. Mit dieser Tour haben wir zum Beispiel die Produktion auf ein neues Level gehoben und das Set unterscheidet sich stark von dem, was wir normalerweise haben. Wir spielen so viele neue Lieder. Und Songs, die wir noch nie gespielt haben. Jetzt sind wir gerade mittendrin, und man wird schon mal müde, wenn man jeden Tag spielt für dreieinhalb Wochen, und es laugt einen etwas aus. Aber gleichzeitig, selbst wenn der Tag lang und langweilig war, freuen wir uns immer noch, wenn die Show dann endlich losgeht. Und wir hatten schon einige fantastische Shows auf dieser Tour.

Wie waren die Konzerte bisher?

Die Konzerte in Deutschland waren sehr gut bisher. Italien war super, Frankreich war cool! Portugal war fantastisch!

Wart ihr schon in Griechenland? Vor zwei Wochen habe ich da ein fantastisches Konzert in Athen gesehen. Die Menge und die Emotionen sind so unglaublich!

War das im Gagarin Club? Da kommen wir im April hin. Da sieht man die Begeisterung und die Leidenschaft in der Menge, das gibt es sonst nirgendwo. Das erste Mal als wir da gespielt haben war mit Candlemass und Entombed, zwei meiner Lieblingsbands und gute Freunde, und während ihrem Auftritt habe ich begonnen, das Publikum zu beobachten. Und Leute haben angefangen zu weinen und zu schreien und haben jeden einzelnes Lied mitgesungen. Sehr, sehr cool!

Schaut ihr euch unterwegs die Gegend an oder schlaft ihr lieber aus?

Kommt drauf an. Meistens schlafen wir einfach so lange wie möglich und ruhen uns aus. Oft genug sind wir nicht unbedingt im Zentrum der Stadt in der wir spielen, sondern auf irgendeinem Parkplatz im Nirgendwo. Wir hatten aber auch schon ein paar sehr nette Tage auf dieser Tour. Oft mache ich einen langen Spaziergang, um meinen Kopf frei zu bekommen und Zeit für mich zu haben und Musik zu hören. Mit mehr als zwanzig Leuten auf Tour ist immer jemand um dich rum, und da ist es auch mal nett, eine Zeit lang alleine zu sein.

Werdet ihr heute viele neue Songs spielen oder euch auf die Klassiker verlassen?

Oh ja, viele neue Lieder! Und einige alten Songs, die wir für unterbewertet halten! Also nicht unbedingt Klassiker. Und das macht teilweise richtig Spaß, wenn man sieht, dass die Leute keine Ahnung haben, was für ein Song das ist. Und es wird eine richtig lange Show, und bisher waren die Leute begeistert. Und es ist eine der spannendsten Setlisten die wir je zusammengebaut haben. Und die neuen Lieder funktionieren richtig gut live. Und ich sage immer, dass das der beste Review ist, den wir bekommen können: Wenn die Fans die neuen Songs hören wollen, und nicht nur die Klassiker. Das bedeutet, dass wir alles richtig gemacht haben mit dem neuen Album.

Ein großer Pluspunkt bei euren Auftritten ist auch die sehr gute Einbindung der Lightshow und der Videowall. Wer ist dafür verantwortlich und wer hat all die Ideen für die Umsetzung der Songs?

Das ist Niklas [Sundin, Gitarrist und Gründingsmitglied]. Es ist seine Arbeit. Er macht die ganzen Animationen und das Zeug drumherum. Und Martin B [Brändström, Keyboards] hilft mit der technischen Umsetzung. Aber Niklas verbringt viel Zeit damit, neue visuelle Ideen für die Lieder finden. Und ich liebe es. Seit wir das zu unseren Shows hinzugefügt haben macht es einen großen Unterschied. Und die Lichter ergänzen dann, was auf der Leinwand abgeht. Das ist die coolste Show, die wir je gemacht haben.

Ist es ein Nachteil, dass man dann weniger improvisieren kann?

Nein, wir können ja immer noch jeden Song spielen wann wir wollen. Und wir haben noch nie viel improvisiert, spielen keine langen Soli und so. Das war nie unser Ding.

Glaubst du, dass die Fans von heute verwöhnt sind mit den ganzen Multimedia-Möglichkeiten, die sie heute haben?

Hm, ich würde es nicht verwöhnt nennen. Aber heute kann man aus so vielem wählen. Man kann sich jede einzelne Band und jeden einzelnen Auftritt sofort auf Youtube anschauen. Und dann sind auch so viele Bands auf Tour. Das ist wirklich ein Luxusproblem. Sogar ich, wenn ich zu Hause bin, sage mir manchmal: Jetzt war ich schon auf zwei Shows diese Woche, ich würde echt gerne mal daheim bleiben, obwohl da eine geile Band kommt, die ich gerne sehen würde.

Ihr habt heute auch große Konkurrenz: Black Sabbath ist in der Stadt. Und Blaze Bayley spielt auch ein Solokonzert.

Oh, wirklich? Über den haben wir heute noch gesprochen. Es ist wirklich irre, wer gerade alles auf Tour ist. Wir verpassen uns dauernd: Die Amon Amarth-Jungs waren gerade in der Nähe, Children of Bodom sind unterwegs, Watain sind auf Tour…

Schaut ihr euch alle diese verwackelten Youtube-Clips von euren Konzerten an?

Nein, nicht wirklich. Aber manchmal checken wir schon welche, um zum Beispiel zu prüfen wie die Lightshow aussah.

Wie ist das Touren mit Tristania?

Fantastisch! Ist macht wirklich Spaß. Wir machen leider nur noch zwei Auftritt zusammen, und dann ziehen sie weiter nach Costa Rica. Schade eigentlich.

Was machst du lieber: Ein Album aufnehmen oder Touren?

Generell würde ich sagen: Aufnehmen ist immer sehr frustrierend. Du schläfst nicht. Du isst nichts. Dein Gehirn ist vollgestopft mit Texten. Du verbringst endlose Stunden im Studio. Aber dieses Mal haben wir es etwas anders gemacht. So anstrengend es auch ist, sich neue Songs und Texte auszudenken, fühlte es sich so gut an, als wir alles fertig hatten. Und ähnlich ist es auf Tour: Manche Tage können miserabel sein. Die Orte sind kalt und klein und voll und laut. Und dann ist die Show so hervorragend, dass du all das Negative vergisst. Manchmal fühlt es sich so an, dass das Album das notwendige Übel ist, damit man wieder auf Tour gehen kann. Aber gleichzeitig ist der Stolz darauf, dass man etwas Originelles erschaffen hat, etwas Unglaubliches. Die Belohnung für die ganze Arbeit ist dann das Release und die Shows. Ich mag diese Höhen und Tiefen. Ich mag es, wenn sich ein Tag von der absoluten Katastrophe zum absoluten Höhepunkt entwickelt. Du gehst auf die Bühne und merkst sofort: Oh, das wird gut! Du erkennst bekannte Gesichter in der Menge und hast einen guten Vibe. Das ist das beste Gefühl der Welt. Gestern hatten wir zum Beispiel eine Show in Stuttgart und ich kam danach drei Stunden nicht zur Ruhe, weil das Adrenalin so durch mich durch pumpte, und heute bin ich deswegen richtig müde. Und morgen treffen wir uns in Berlin mit den In Flames-Jungs, die da gerade ein neues Album aufnehmen. Das wird sehr lustig werden!

Verfolgst du was andere Bands machen?

Natürlich! Und nicht nur von befreundeten Bands. Ich versuche alle guten Shows mitzunehmen. Und reise dafür auch. Aber es ist auch frustrierend: Während wir unterwegs sind, verpasse ich so viele Show zu Hause. Amon Amarth, Marillion, Steven Wilson… Aber Dank der Segnungen der sozialen Medien kann man all seinen Freunden folgen und ist immer auf dem Laufenden, was gerade abgeht.

dt logoDie berühmte Göteborg Death Metal Szene war immer sehr homogen. Ist das immer noch so?

Auf jeden Fall! Das hat sich fast nicht geändert. Es sind immer noch derselbe Haufen Leute, die Musik machen, einfach nur älter. Wir lachen manchmal darüber, dass wir zwanzig Jahre später immer noch dabei sind. Was zur Hölle ist passiert? Jetzt sind At the Gates wieder am Start. Wir sind zusammen aufgewachsen, sind immer Freunde geblieben. Göteborg ist eine kleine Stadt, wir sehen uns andauernd. Es ist eine sehr nette Atmosphäre. Musik bedeutet alles für uns. Deswegen haben wir uns damals getroffen und deswegen sind wir immer noch dabei.

Wie sieht es mit Newcomern aus?

Oh, da gibt es Tonnen. Es gab mal eine Zeit, als neue Bands es sehr schwer hatten, weil sie immer mit uns und den anderen verglichen wurden. Das hat wohl einige entmutigt, zumindest im Melodic Death Metal. Aber jetzt gibt es so viele verschiedene Stile, zum Beispiel richtig coole Doom Bands, Hard Core, Progressive und Retro-Stoner-Bands. Und es gibt coole Clubs, die lokale Bands supporten. Und wir sagen uns immer: Mann, wenn wir das damals gehabt hätten. Denn damals gab es einen einzigen Club. Und wir haben in Dreckslöchern gespielt, in Schulen und auf Parties. Das ist heute ein ganz anderes Umfeld.

Wie schon erwähnt: Ozzy spielt heute abend und wurde gestern 65. Wo siehst du dich mit 65?

Puuh. Ich werde 40 nächstes Jahr, so lange denke ich nicht voraus. Ich erinnere mich daran, wie ich Heaven & Hell gesehen habe, bevor Dio gestorben ist. Wir haben ein paar Festivals zusammen gemacht, also habe Ronnie so fünf Mal gesehen. Das hat mich wirklich inspiriert. Er war perfekt an jedem einzelnen Abend. Wenn er das kann, dann will ich das auch können und immer weiter machen. Wenn ich dazu in der Lage bin und nicht meine Stimme verliere oder so etwas. Ozzy hört sich jetzt nicht mehr so gut an, aber sie machen es einfach. Und das neue Album ist wirklich klasse!

Hängt ihr nach der Tour auch noch weiter miteinander ab oder bist du dann mal froh, nicht immer dieselben Gesichter zu sehen?

Also man braucht danach auf jeden Fall mal eine Auszeit. Wir machen so viele Dinge miteinander, aber manchmal mailen wir uns einfach nur wochenlang, bevor wir uns mal wieder treffen. Wir haben unterschiedliche Leben und man versucht auch, sein Privatleben vom Bandleben zu trennen. Für mich ist dann zum Beispiel meine Familie wichtig. Wenn man weiß, dass man vier oder fünf Monate weg sein wird, dann versucht man so viel Zeit wie möglich mit seiner Familie zu verbringen.

Wie sieht es mit Zukunftsplänen aus?

Naja, momentan sieht es einfach nach endlosem Touren aus. Wir haben in den letzten Jahren mehr und mehr eigene Kontrolle über die Band übernommen und versuchen immer noch herauszufinden, wie das alles funktioniert. Martin Henriksson [Bass] wird immer mehr zum Manager der Band und er bucht gerade die nächsten Shows und diskutiert mit den Booking-Agenturen. Es ist einfach aufregend zu sehen, was man alles tun könnte. Wir könnten Indien machen. Oder Nepal. Es ist einfach klasse zu sehen, wo man überall hinreisen und auf Fans treffen kann. Letztes Jahr waren wir in Israel. Es ist einfach verrückt: Das Reisen ist der Horror, aber es lohnt sich einfach. Neue Fans kennenlernen, die man sonst nie zu Gesicht bekommen würde. Das ist der spannende Teil: Was für eine Tour wir zusammenstellen können. Und es ist auch immer eine Geldfrage. Man muss wirklich weise Entscheidungen fällen, sonst ist man schnell aufgeschmissen. Einige befreundete Bands kämpfen jetzt seit Jahren und haben nie über Kosten nachgedacht. Sie dachten sich: Die Plattenfirma wird schon zahlen, wir touren immer weiter. Und am Ende hat man einen Haufen Schulden. Aber gerade heutzutage ist Touren so wichtig, weil man mit Platten kein Geld mehr verdienen kann. Und das machen wir jetzt bis Mai. Dann startet die Festivalsaison. Ich schätze, ab Oktober können kann ich es dann mal etwas ruhiger angehen lassen.

Vielen Dank! Und viel Spaß beim Konzert!

Martin Storf

DT breit


Bild Copyright:

Infos

  • Erstellt am

    07. Dezember 2013
  • Line Up

    Mikael Stanne - Vocals
    Niklas Sundin - Guitar
    Martin Henriksson - Guitar
    Daniel Antonsson - Bass
    Martin Brändström - Electronics
    Unlike Jivarp - Drums

  • Redakteur

    Martin Storf