No Use For A Name gehört zu der Generation von Bands, die mich und meine Altersgenossen schon auf dem Schulhof zu gemäßigter Rebellion gegen das Establishment anleiteten.
Von daher ließ ich mir die Gelegenheit nicht nehmen, im Vorfeld des Konzertes in Hannover einen kleinen Plausch mit Sänger Tony und Bassist Matt über die Tour und die neue Platte zu halten.
Reden wir doch erst mal über die Tour. Wie läuft es bisher?
Tony: Gut, wirklich gut. Bis jetzt haben wir 5 oder 6 Shows hier gespielt (Matt aus dem Hintergrund: Sechs. Heute ist die sechste). Gestern Abend haben wir in Berlin gespielt und es war großartig.
Ist es eigentlich seltsam für euch, als „sonnig“ klingende Punk Band aus Kalifornien im kalten und regnerischen Deutschland zu spielen?
Matt: Es passt auf jeden Fall zu den Texten auf dem neuen Album. Das ist nicht gerade eine lustige und sonnige Scheibe (lacht).
Tony: Es hilft ja nichts, wir können ja nicht einfach das Wetter mitbringen (lacht).
Matt: Außerdem ist es im Moment in Kalifornien auch nicht gerade warm.
Tony: Ich lebe dort in etwas höheren Lagen, in denen wir durchaus auch mal Schnee haben.
Wie reagieren denn die deutschen Fans auf euch und welches europäische Land beeindruckt euch am meisten? Ihr müsst natürlich nicht diplomatisch antworten.
Tony: Europa ist generell cool. Das Beste am Touren hier ist, dass man alle paar Tage in einem neuen Land ist. Man bekommt viel von unterschiedlichen Kulturen mit. Ich meine, du kannst an einem Tag von Deutschland nach Spanien fahren und dort ist es wieder völlig anders. Das Touren in Amerika ist langweiliger als in Europa, da sich die Städte doch sehr gleichen und alle Leute den selben kulturellen Background haben.
Matt: Deutschland läuft bisher super. Man merkt, dass die Leute sich richtig auf uns freuen, was wohl auch daran liegt, dass wir nicht so oft hier spielen. Nach den Shows wollen die Kids mit reden und das macht viel Spaß. Und das ist ja auch der Grund dafür, dass wir so weit von zu Hause weg sind.
In euren Tourdaten habe ich gelesen, dass ihr auch noch in Tel Aviv/Israel spielen werdet. Habt ihr angesichts des Krieges dort ein mulmiges Gefühl?
Matt: Nein!
Tony: Also ich habe nicht mehr Angst in Tel Aviv zu spielen, als in New York. Ich meine, in New York fliegen Flugzeuge in Häuser. In Tel Aviv ist das noch nie passiert. (Gelächter von Matt) Was ich sagen will: Hundertprozentig sicher ist man nirgendwo. Und Guy, der Typ der die Dates für uns gebucht hat, hat uns gesagt, dass wir dort sicher sind.
Ich wünsche euch dafür auf jeden Fall alles Gute. Kommen wir doch mal zum (nicht mehr ganz so) neuen Album „The Feel Good Record Of The Year“. Wie seht ihr denn die Entwicklung im Vergleich zu den älteren Alben?
Tony: Der größte Unterschied waren mit Sicherheit die Aufnahmen, da wir mit Bill Stevenson und Jason Livermore mit anderen Produzenten gearbeitet haben. Und im Gegensatz zu „Keep Them Confused“ finde ich meine Gesangsleistung um Längen besser. Ich denke, wir haben uns in allen Bereichen verbessert.
Matt: Durch den Wechsel des Studios und der Produzenten weht natürlich automatisch ein frischer Wind. Jeder einzelne von uns versuchte, das Beste aus sich herauszuholen.
Ich persönlich finde, ihr klingt erwachsener und gereifter. Stimmt das so?
Matt: Ja, das passiert schon mal, wenn man älter wird (lacht).
Ihr seid ja, verglichen mit vielen jüngeren Bands, schon „Punk Rock Opas“. Wie fühlt sich dass denn an? Ich meine, ich habe zum Beispiel schon vor 15 Jahren auf dem Schulhof Bands wie euch oder Bad Religion gehört.
Matt: Das sagt ja auch einiges über die Szene, dass diese Bands immer noch da sind. Ich denke mal, Bad Religion und wir machen unsere Sache immer noch ganz gut. Und dabei können wir auf die Loyalität unserer Fans setzen.
Hat sich denn das Gefühl Musik zu machen und die Vibes seit den 90ern verändert?
Matt: Ja schon, aber wir haben noch den gleichen Elan. Das meiste hat sich seitdem in Punkto Technik verändert und häufig nicht zum Guten. Heutzutage kann dadurch auch jeder in einer Band spielen.
Tony: Viel wird heutzutage über die Produktion rausgeholt. Die Platten klingen gut, sind aber nicht immer gut gemacht. Häufig sind die Sachen überproduziert, es gibt aber keine fesselnden Songs. Wir haben jetzt versucht, das Gegenteil zu machen. Weniger Technik, mehr gute Songs. Wenn ich mir bei unserem Tourmanager die ganze Mucke auf dem Computer höre, dann denke ich, da passiert nicht viel. Das sind Leute die zusammen einen Haufen Musik zusammenspielen, aber dabei vergessen, echte Songs zu schreiben. Wir wollten mehr „back to basics“ gehen.
Vielleicht es das, was ich meinte, mit ihr klingt erwachsener?
Tony: Ja, vielleicht. Ich glaube das Geheimnis ist die Einfachheit. „The Feel Good Record Of The Year“ ist alles andere als eine komplizierte Scheibe. Es war alles sehr einfach: Das Songwriting, die Proben, die Aufnahmen. Es war einfach ein natürlicher Prozess und ich glaube, dass sollte auch so sein. Wir haben uns zu nichts gezwungen, sondern es einfach laufen lassen. Natürliche Prozesse laufen am einfachsten ab. Das ist besser, als etwas erzwingen zu wollen, was wir teilweise auf der letzten Platte getan haben.
Wie sieht es denn mit euren musikalischen Vorlieben aus, was hört ihr euch so an?
Tony: Oh Gott, das ist so verschieden. Auf Tour ziehe ich mir häufig nur TV Shows oder Hörbücher rein. Wenn ich laufen gehe, dann höre ich mir seit drei Jahren die gleiche Playlist an.
Matt: Ich höre eigentlich viel Metal, aber nie nach unseren Auftritten. Da ist mir der Sinn häufig eher nach Opern, oder so. Naja, manchmal setzen wir uns nach den Shows zusammen und hören über einen I-Pod mit Lautsprechern alte Sachen an, die einen in eine andere Zeit zurückversetzen.
Ich wäre dann soweit fertig. Wollt ihr noch was loswerden?
Matt: Ja, danke an die deutschen Fans, die uns über einen langen Zeitraum die Treue gehalten haben und dafür sorgen, dass wir kein One-Hit-Wonder geworden sind. Und danke auch für das Interview!
Eines muss ich doch noch fragen: Gerade heute wird Barrack Obama als euer neuer Präsident vereidigt. Wie seht ihr ihn und die Zukunft Amerikas?
Matt: Ja, wir haben dass vorhin im Fernsehen gesehen.
Tony: Wir wissen es noch nicht, wie er sich machen wird. Ich bin aber schon mal froh darüber, dass wir jetzt einiges an unterschwelligem Rassismus in den Staaten los sein werden. Was er von seinen Versprechungen einlöst weiß ich natürlich nicht. Vieles davon wird wie üblich Wahlkampfstrategie gewesen sein. Was mich aber jetzt schon freut, ist dass wir einen Afroamerikaner gewählt haben. Und das ist in jedem Fall ein großer Schritt für Amerika.
Matt: Vor 10 oder 20 Jahren hätten wir noch darüber gelacht, einen schwarzen Präsidenten zu haben.
Tony: Und mit Hilary Clinton wären wir sogar bereit für eine Frau als Präsidenten gewesen.
Ich danke euch für das Gespräch und wünsche euch (und mir) viel Spaß beim Auftritt heute Abend!