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Ministry - Interview mit Al Jourgensen

Das hätte es vor einiger Zeit auch nicht gegeben: Al Jourgensen bittet an einem Montag um 10 Uhr in der Früh zum Interview. Und entgegen allen Erwartungen ist der Industial Papst gut gelaunt und sehr auskunftsfreudig.

 

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Das ist aber auch verständlich, denn auch er weiß, dass er mit House Of The Molé ein verdammt starkes Album promotet. Bei einer derart bewegten Lebens- und Bandgeschichte muss natürlich auch in der Vergangenheit gewühlt werden.

Da ich die neue Scheibe erst sehr kurz vor dem Gespräch im Kasten hatte, musste ich es bei zwei Durchläufen belassen Was aber auffällig ist, ist dass House Of The Mole weniger depressiv geworden ist und wesentlich mehr Energie enthält als die Scheiben seit Filthpig.

Ja, es waren ja auch neue Leute dabei, das gibt natürlich auch neue Energie. Wir spielen wieder unser Instrumente in einer Band und machen nicht alles am Computer. Das war ja seit Psalm 69 nicht mehr so. Es ist halt wie bei einem alten Ehepaar, da wird der Sex irgendwann langweilig, die neuen Musiker sind wie neue Sexpartner für mich.

Auch das neue Album wurde im mexikanischen Niemandsland aufgenommen. Dies ist verwunderlich, denn viele Bands sagen, dass sie eine bestimmte Atmosphäre um sich herum brauchen, damit ihre Musik die gewünschte Emotion hat. Der kalte Industrial Sound von Ministry passt da doch eher in große Industriegebiete als in die wohlig warme Wüstensonne.

Es liegt einfach daran, dass wir dort besser arbeiten können und schneller vorankommen. Es gibt keine Unterbrechungen von außen. Es liegt einfach daran, dass wir dort konzentrierter arbeiten können. Genug Trubel haben wir auf Tour.
Ministry haben ihren Sound ja auch schon seit langem gefunden, was sie sicherlich unabhängiger macht. Ich rechne es der Band hoch an, dass sie ihren Gitarrensound seit Psalm 69 nicht groß verändert hat und nicht bei dem Wettkampf um die am fettesten produzierte Gitarre teilnimmt. Al stimmt zu, das des zu viel Einheitsbrei gibt und eine zu gute Produktion die Gefahr in sich birgt, eine Scheibe schneller satt zu haben. Ich mag den Sound so wie er ist. Es ist unser Sound. Ich will keinen Anderen.

Mit der maßgeblich von ihm beeinflussten Nu Metal Szene hat Al aber nichts am Hut.

Ich kenn die alle gar nicht. Auch wenn du mir ´ne Knarre an den Kopf hältst, könnte ich dir keinen Song von Linkin Park oder Korn nennen.

Aber es gab doch Mal eine Zusammenarbeit mit einem gewissen Fred Durst.

Ach, das war nur ein Song und ich hatte noch nie einen Limp Biskit Song gehört. Er hat mir gesagt, wie toll er mich findet. Dann hab ich ´ne Flasche Wein getrunken, ein bisschen Gitarre gespielt und bin wieder weg. Es ist wohl so eine Metal Rap Mischung.

Das zeugt alles nicht gerade von einer hohen Meinung von der kommerziell erfolgreichen härteren Musik dieser Tage.

Ich höre alten Jazz und Alten Country. Den Kram mit den fetten Gitarren höre ich mir nicht an. Es gibt einen Spruch: Don´t shit where you eat. Daran halte ich mich.

Es fällt etwas schwer das zu glauben, war man doch kürzlich gemeinsam mit Marilyn Manson auf gemeinsamer Co Headliner Tour.

Auch den hatte ich vorher nicht live gesehen und ich kannte auch seine Songs nicht. Ich mag ihn aber als Person sehr.

Die Album Titel von Ministry waren immer brillant, den Höhepunkt bildete Dark Side Of The Spoon. Der Sinn hinter Home Of The Molé erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht.

Weißt du was Mole ist?

Nein, nicht genau, ich weiß dank dem Mexikaner an der Ecke nur, dass es eine mexikanische Speise ist.

Es ist eine mexikanische Schokolandensauce, die wie öl aussieht. Es ist also das Haus des Petroliums.

Na gut, das bringt mich nicht viel weiter, außer dass Al Bewegungen von Flammen macht, so geht es vielleicht um die Macht des Feuers.
Des weiteren fällt auf, dass die Band ihr Logo verändert hat, es wirkt wie die Musik aggressiver,auch wenn ein Peace Zeichen eingearbeitet ist, auffallend ist, dass das M nun aus zwei Anarchiezeichen besteht

Ja, das ist halt die doppelte Kraft.

Erklärt er lachend, nun aber zu einem ernsten Thema.
Es ist unumgänglich, auf den Ausstieg von Paul Barker einzugehen. Die beiden kennen sich seit 1982 und machen seit 1987 gemeinsames Ding bei Ministry. Da ist es verwunderlich, wie gut die Band diesen Ausstieg weggesteckt hat. Immerhin hat Paul in den Zeiten von Al´s Abstürzen die Promoarbeit geleistet und ihm sogar einmal durch eine Fahrt ins Krankenhaus das Leben gerettet. Al klärt auf, dass es eine Trennung in Freundschaft war.

Pauls Vater starb und wir waren schon ein Jahr auf Tour. Er ist verheiratet und hat seine Kids, die 9 und 10 Jahre sind, nicht gesehen, weil er nie zu Hause war. Er wollte mehr Zeit für die Familie haben. Meine Tochter ist inzwischen 19, die kommt gut alleine klar, da muss ich mir keine Gedanken mehr machen.

Al selber sieht die Trennung unemotional.

Wir waren wie ein altes Paar, es ist nicht mehr viel passiert, nun sind wir wieder eine Band.

Obwohl die beiden sich in Frieden getrennt haben, gibt es kaum Kontakt.

Das hat aber den einfachen Grund, dass ich momentan so viel zu tun habe, ist nichts Persönliches.

Die neue Energie in der Band ist nicht der einzige Grund, warum der olympische Rhythmus von einem Album in vier Jahren durchbrochen wurde, das letzte Album erschien erst vor einem Jahr. Es liegt mehr an Al´s neuem Lebenswandel.

Ich habe ja nur rumgehangen und auf meine Dealer gewartet, die kommen natürlich auch nicht pünktlich. Ich hab mich mehr um die Droge als um die Musik gekümmert, dann dauert es natürlich.

In der Abhängigkeit liegt auch der Grund, warum fast alle frühere Promoarbeit von Paul erledigt wurde, denn Al war einfach nicht in der Lage dazu. Wie wohl jeder Abhängige rechtfertigte Al seinen Drogenkonsum in früheren Zeiten. Er hätte alles im Griff, es sei noch zu keinen Konflikten mit dem Gesetz gekommen u.s.w. Nach der langen Zeit der Abhängigkeit hat Al eine nachdenklichere Meinung zu den Drogen.

Es ist OK mal Drogen zu nehmen, aber es ist nicht mehr OK, wenn du abhängig bist. Ich hab gedacht, dass ich es im Griff habe, aber das war nicht der Fall. Die Droge hat mich bestimmt.

Nun aber weg von der Vergangenheit und zurück zum neuen Album. Es ist wohl das politischste, das die Band bisher veröffentlichte. Früher wehrte sich die Band dagegen politisch sein, man beobachtete das politische Geschehen lediglich und kommentiere es zynisch. Nun, auch das ist ja schon politisch, aber mit Home Of The Molé gehen Ministry deutlich in Opposition zu Bush.

Der Wechsel kam aufgrund von „Baby Bush“. Wir haben uns zynisch zu Papa Bush geäußert, aber Baby Bush ist wesentlich schlimmer. Ich habe unser Land nicht in einem so schlechten Zustand gesehen und ich schließe die Zeit vor dem Vietnam Krieg mit ein. Das alles liegt an Bush. Und wenn er das alltägliche Leben aller verschlechtert, musst du was tun.

In dieser Abneigung lag auch die Motivation, sich am Rock Against Bush Sampler zu beteiligen, obwohl man neben den ansonsten vertretenen Punk Rock Bands musikalisch gesehen ziemlich aus der Reihe tanzt. Und das, obwohl es nicht so einfach ist, offen gegen die Regierung zu wettern. Es gibt viele Repressalien, wie Besuche der CIA, die Verweigerung einiger Sender, die Musik in Rotation zu nehmen und nicht zuletzt hunderte Hassbriefe, die auf der Homepage auftauchen.

Ja, in diesen Tagen nicht. Es ist wie in den Tagen der Bücherverbrennung, ich hab so eine heftige Zensur nicht mal zu Vietnam Zeiten erlebt. Aber ich scheiße darauf, irgendwer muss ja was sagen. Und es werden ja immer mehr Bands, die laut sagen, was sie denken.

Ministry werden meines Wissens das erste Mal wirklich politisch aktiv. Die US Tour endet mit dem Tag der Wahl und die Dies will man nutzen, um das Publikum zum Wählen zu bewegen. Dazu arbeitet das Ministerium mit Punkvoter.com zusammen.Und Mr. Jourgensen sieht sehr gute Chancen etwas zu bewegen.

Die Chancen stehen gut, es beteiligen sich ja auch andere wie Jello Biafra daran. Die Kids können sich in Listen eintragen lassen. Ich denke, dass wir schon 100.000 Kids erreichen. Und wenn du dich erinnerst, wie knapp die letzte Wahl war, dann kann das ausschlaggebend sein. Du musst tun, was du kannst. Wenn es nicht klappt, haben wir es wenigsten versucht.

Wenn Al den Namen Jello Biafra von sich aus erwähnt, will ich die Gelegenheit nutzen, um mal das Verhältnis der Beiden abzuklopfen. Es bestand immer eine Bewunderung für einander, die die Zusammenarbeit im Projekt LARD zur Folge hatte. Es heißt aber, dass der dritte Output Pure Chewing Satisfaction getrennt aufgenommen wurde. Ministry stellten die Songs, machten die Biege und dann sang Jello Biafra die Songs ein. Das ist eine merkwürdige Kooperation. Al amüsiert diese Frage sichtlich.

Jello ist eine merkwürdige Person, ich liebe ihn. Es ist wie bei einem Familientreffen zu Weihnachten. Da gibt es einen Onkel, der verrückt ist und du freust dich das ganze Jahr darauf, ihn zu sehen. Und nach zwei Tagen ist man dann genervt, weil er zu anstrengend ist. Er ist ein totaler Freak und meine Tochter nennt ihn nur den verrückten Onkel Jello.

Ministry ist eine Band, die Maßstäbe gesetzt hat wie kaum eine andere, gibt es da noch Ziele, die Al mit der Band erreichen will?

Ich hasse es fast zu sagen, aber ich wollte immer so eine Platte wie Home Of the Molé machen. Sie ist die beste, die wir je rausgebracht haben. Ich war im Nachhinein noch nie so zufrieden mit einer Platte. Ich höre sie mir 3 Monate nachdem sie fertig ist noch gern an, das gab´s noch nicht. Sie ist, was ich erreichen wollte.

Zum Schluss noch die Frage nach der Zukunft. Ich habe gehört, dass Al an einer Universität lehrt, ist das was für die Zukunft?

Nein, das werde ich erst noch machen. Es wird noch zwei Alben und zwei Touren geben und dann ziehe ich mich von der Musik zurück.

Oh, das sind ja keine guten Nachrichten, aber Al ist sich sicher, dass er die Musik nicht missen wird, wenn er hinter dem Pult Geschichte lehrt.

Ich wollte schon immer Lehrer werden, aber die Sache mit der Rockmusik kam dazwischen, ich freue mich darauf.

Das klingt ja wie die Umkehrung von School of Rock. Da bleibt nur, dem sehr sympathischen Al alles Gute für seinen Weg zu wünschen und die Hoffnung, dass die zwei ausstehenden Alben nicht auch alle Nebenprojekte mit einschließen. Ende des Jahres kommen Ministry dann nach Deutschland und ihr solltet sie euch nicht entgehen lassen, denn erstens sollte man Al nicht in der Verfassung der letzten Gigs in Europa in Erinnerung behalten, bei denen man nur hoffte, dass er sie überlebt. Zum anderen wird das neue Material live sicher ziemlich knallen. So go there!

 

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Infos

  • Erstellt am

    15. August 2005
  • Line Up

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  • Redakteur

    Tobias Trillmich
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