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Bereits zum fünften Mal findet das kleine aber feine Tages-Festival statt. Das Open Air - Gelände liegt in einem umgenutzten, ehemaligen Gewerbe- und Kasernengelände in einem Hinterhof am Haus der Kulturen, zwischen Leine und dem für den Göttinger Stadtteil Grone namensgebenden Gewässer mit viel Grün unterhalb eines kleine Park- und Waldstücks. An dem Ziel, vornehmlich die zweite und dritte Reihe der deutschen Szene zu fördern und als Zugpferde, deren bekanntere Vertreter zu nutzen ist nicht neu aber nicht wenige Veranstalter sind an einem solchen Konzept schon gescheitert. Darum ist es umso beachtlicher, dass man dieses Modell in der südniedersächsischen Studentenmetropole seit einigen Jahren etablieren konnte. Grund genug, für mich, dem Open Air endlich mal einen Besuch abzustatten.

Running Order

Das Wetter ist, wie in den vergangenen Jahren, wie gemacht für ein Open Air. Nicht zu warm, nicht zu kalt, kein Regen, während die kräftige Juni-Sonne immer mal wieder von Phasen leichter Bewölkung ausgebremst wird. Los geht´s pünktlich um 14 Uhr mit dem Berliner Grind-Quartett JEHACKTET. Wenn auch die Reihen vor der Bühne noch etwas licht sind, so ist es trotzdem beachtlich, dass sich um diese Zeit schon eine erstaunliche Meute auf dem Gelände eingefunden hat. Und die, die da sind, lassen sich von der äußerst agilen Combo gleich zur ersten Grindcore-Polonäse animieren, die Sänger Georg und Frau Bassistin immer wieder nutzen, um sich ebenfalls von der Bühne ins Publikum zu stürzen. Musikalisch für mich zwar eher unspektakulär aber durchaus unterhaltsam. Positiv zu erwähnen ist, dass sich hier jede Band mit einer Spielzeit von mindestens 45 Minuten präsentieren darf und niemand mit "Mini-Slots" abgespeist wird.

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Bei der Stadt Wolfsburg fallen mir in erster Linie Protector sowie Cryptic Brood aus jüngerer Vergangenheit ein. Mit REVOLT kommt aber eine bereits seit 1999 aktive Thrash-Formation ebenfalls aus der Autostadt, die durchaus ernstzunehmen ist. Das Quartett findet genau die richtige Mischung aus klassischen und modernen Thrash-Elementen, zwischen Härte, Melodie und Heaviness, aggressivem Gesang, technischer Versiertheit und abwechslungsreichen Songs, die tatsächlich, ohne dass man die Songs im Vorfeld kennt, über die gesamte Spielzeit tragen. Ein erstes Ausrufezeichen, dass auch vom Publikum entsprechend gewürdigt wird.

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Auf die Detmolder Death Metaller von EVOKED hatte ich mich neben den schwedischen Night Viper, die ihren Auftritt leider vor einigen Wochen gecancelt hatten, am meisten gefreut. Das auf Konserve absolut überzeugende, räudige und rohe, an die urschwedische Schule angelehnte Brett bleibt zumindest am heutigen Nachmittag etwas blass und eintönig, obwohl das Trio eine mehr als solide Show abliefert. So wirkt es dann auch etwas skuril, als man schon nach einer halben Stunde die Bühne verlässt und sich danach trotz mäßiger Publikumsreaktionen wider Erwarten selbst eine Zugabe gönnt. Aber auch wenn das Feuerwerk heute nicht so recht zünden will, muss man die FDA-Jungs in Zukunft definitiv auf dem Zettel haben.

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Wo Evoked die rostige Kreissäge und Axt ansetzen, da zücken DEVASTATOR ein auf Hochglanz poliertes Seziermesser. Die Hamburger sind für Night Viper kurzfristig in die Bresche gesprungen und gehören im Gegensatz zu ihren ostwestfälischen Kollegen zu jenen Bands, die für mich auf Scheibe nur äußerst schwer verdaulich, da zu technisch und teilweise verkopft, sind. Doch live überrascht mich das modern ausgerichtete Todesstahl-Kollektiv im positiven Sinne, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Fünfer technisch wie ein Uhrwerk funktioniert und mit Sänger Lenny einen absoluten Entertainer in den Reihen hat, der es nicht nur bei Endseeker versteht, sein Publikum mit Ironie, Humor und einem außergewöhnlichen Organ bei Laune zu halten.

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devastator

Für die Lokalmatadoren ATOMWINTER folgt anschließend ein Heimspiel, dass im Fußball einem zu verwandelnden Elfer ohne Torwart gleich kommen würde. Und das Quartett nimmt es ebenso sportlich und verwandelt das Geschenk wahrlich souverän. Allen voran Sänger Holzschneider, für den der Begriff Rampensau erfunden worden zu sein scheint, ein Typus Mensch, dem man sowohl abends im Dunkeln allein auf der Straße nicht wirklich begegnen möchte, auf den man jedoch in der ungemütlichsten Situation zählen kann. Darüber hinaus ist er mit einem außergewöhnlichen wie variablem Organ gesegnet, mit dem er großartig umzugehen weiß und mit dem er dem vermeintlich simplen aber äußerst effektiven Todesstahl ein äußerst saures Sahnehäubchen verpasst. Die Meute vor der Bühne huldigt dem Quartett und sorgt für einen amtlichen Moshpit. Keine Ahnung, wieso ich diese Band bisher nicht wirklich auf dem Radar hatte. Es gibt nicht wenige Bands, die aus relativ bescheidenen Mitteln soviel heraus holen. Wenn man einen "Asphyx-Gedächtnispreis" ausloben würde, dann wären Atomwinter jedenfalls ein ganz heißer Anwärter darauf. Die anstehenden Auftritte auf dem Protzen und dem Party.San Open Air sind, wenn nicht sogar überfällig, dann mehr als verdient.

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atomwinter

Die musikalische Mischung aus Black Metal, Punk und Doom von Seuche und seiner Band Fäulnis ist schon sehr speziell und zum Polarisieren verdammt. Insbesondere vom hatte ich die Hamburger Formation auf dem Party.San 2015 persönlich in fürchterlicher Erinnerung. Dieser Eindruck relativiert sich heute Abend glücklicherweise etwas, wobei ich mit der Musik und der Art, wie sie Hauptprotagonist Seuche vorträgt jedoch nach wie vor nicht wirklich warm werde. Als Performance-Kunst kann ich dem ganzen jedoch zumindest einmalig etwas abgewinnen. Darüber hinaus sieht das aber ein großer Teil des Publikums anders und feiert Fäulnis mächtig ab.

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Auch die folgenden Tech-Deather von CYTOTOXIN sind stilistisch nicht wirklich meine Baustelle, obwohl der Vierer aus Chemnitz handwerklich wohl mit dem versiertesten Line-Up aufwartet. Musste bei Devastator vorschnell der plumpe Uhrwerksvergleich herhalten, dann bleibt mir nur übrig, der Instrumentalfraktion der Sachsen die Fitness einer Atomuhr zu bescheinigen. Während die Saitenfraktion sich durch abwechslungsreiche, moderne Deathgrind-Kompositionen frickeln, die von einem dichten, filigranen Schlagzeug-Gewitter unterlegt sind, quiekt, röhrt, grunzt, brüllt und schreit sich Gutturalakrobat Grimo die Eingeweide aus dem Körper. Die Klobürstenfraktion nimmt die musikalische Vorlage, welche zu Beginn in eine martialische Endzeit-Show samt Gasmasken und Giftfässern eingebettet ist, dankbar an und sorgt für reichlich Bewegung samt Circle-Pit vor der Bühne.

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Danach ist es Zeit für das Finale. Nach einer kurzen Verzögerung aufgrund von technischer Probleme richtet ein abgekämpftes aber überaus zufrieden und glücklich dreinblickendes Orga-Team Dank an Bands, Crew und an die sehr zahlreich erschienenen Gäste, ehe IMPERIUM DEKADENZ dem Underground Remains Open Air 2017 mit viel schwarzmetallischer Atmosphäre den Todesstoß versetzen dürfen. Das Quintett aus dem Schwarzwald und Franken weiß die Gunst der hereingebrochenen Dunkelheit perfekt zu nutzen und lässt alle Anwesenden in ihren düsteren Kompositionen schwelgen, wobei die Performance äußerst stark ist. Und so klingt das Festival in einer lauen Frühsommer-Nacht würdig aus. Erwähnt werden muss an dieser Stelle auch die Tontechnik-Mannschaft, die dem Publikum bei jeder Band einen guten bis sehr guten Sound gebastelt hat, was bei Veranstaltungen dieser Art, unabhängig von der Größe, leider nicht immer Standard ist.

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Fazit:

Der deutsche Underground ist putzmunter und quicklebendig, musikalisch abwechslungsreich und handwerklich hochklassig. Ein Festival und Open Air funktioniert auch noch ohne überflüssigen Firlefanz über einen Nachmittag.

Die Veranstalter haben mit ihrem Open Air, das in vielerlei Hinsicht auf Prinzipien, aufrichtiger Hingabe und Haltung zu Musik und der Szene beruht, für alle beteiligten einen großartigen Rahmen geschaffen, den es zu würdigen gilt. Die Veranstaltung war von Anfang bis Ende bestens durchorganisiert, die Tickets, aber auch die Preise für Speisen und Getränke äußerst günstig und fanfreundlich. Die Szene im Dreiländer-Eck Niedersachsen, Thüringen und Hessen ist aktiv, kann ausgelassen und super entspannt feiern. Musikalisch hätte dem Event nach der schmerzhaften Absage von Night Viper eine Band ähnlicher Ausrichtung im Line-Up gut getan, was jedoch zum einen dem Zeitdruck und zum anderen der Tatsache geschuldet ist, dass gute klassische Heavy Metal - Kapellen im deutschen Untergrund nicht gerade im Übermaß vorhanden sind. Wer sich hier berufen fühlt, der darf mit Sicherheit gern mit den Organisatoren in Kontakt treten.

In diesem Sinne kann man nur hoffen, dass uns diese Veranstaltung noch mindestens weitere fünf Jahre erhalten bleibt.

Mein Dank gilt an dieser Stelle Alex und Max, die es u. a. möglich gemacht haben, dass wir als Twilight Magazin Teil dieses Events sein durften.

 

Interview von Seuche (Fäulnis/KrachmuckerTV) mit den Organisatoren des UNDERGROUND REMAINS OPEN AIR:

Nach dem UNDERGROUND REMAINS OPEN AIR ist vor dem PROTZEN OPEN AIR. Und wer keine Tickets mehr für das bereits seit langem ausverkaufte metallische Familientreffen in Brandenburg bekommen hat, der kann sich am kommenden Donnerstag, den 22.06. im Göttinger Freihafen mit FACEBREAKER und REVEL IN FLESH trösten. Los geht´s ab 19 Uhr für schlappe 10 Euro.

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Headliner

Imperium Dekadenz, Cytotoxin, Evoked, Atomwinter

Besucher

500

Ort

Haus der Kulturen, Göttingen

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