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Nicht weit von uns im Westen, da gibt's ein kleines Land... und in diesem Land gibt es großartige Festivals! Einen ganz besonderen Stellenwert hat mit Sicherheit das ROADBURN.
Und was gibt es Besseres, als die Festivalsaison mit  genau diesem einzuleiten? Das Festival tauchte immer mal wieder in meinem Blickfeld auf, meistens wegen des außergewöhnlichen Band-Lineups, aber immer kam irgendetwas dazwischen. Als sich dann dieses Jahr das Billing mehr und mehr konkretisierte, wurde klar, dass Tilburg ein Muss ist: CULT OF LUNA spielen mein Lieblingsalbum in voller Länge, ebenso PARADISE LOST mit „Gothic“. Außerdem haben sich diverse isländische Favoriten angekündigt, die ich auf dem letztjährigen Eistnaflug-Festival kennen und lieben gelernt habe. Und dann noch Doppelshows von AMENRA, NEUROSIS und ein Nebenprogramm, das für drei Wochenenden reichen würde.

Also ging es eines Donnerstagmorgens auf in unser wunderschönes Nachbarland. Die Vorshow am Mittwochabend mit dem live sehr tighten Ehepaar JUCIFER musste ich leider urlaubsbedingt sausen lassen. Im beschaulichen und typisch-niederländischen Tilburg angekommen, wurde erst mal der Zeltplatz gesucht, der dieses Jahr tatsächlich mitten in der Stadt auf einem alten Bahngelände liegen sollte. Über Grachten hinweg und zwischen den allgegenwärtigen Fahrrädern hindurch musste man nur den künstlerisch gestalteten Roadburn-Fahnen folgen um an sein Ziel zu gelangen. Der Zeltplatz selbst hatte alles, was das Herz begehrt: Ein großes Frühstückszelt, Spülklos, warme Duschen, und mietbare Apartments, die zur Erkennung mit historischen Konzertplakaten beklebt waren. Essen und Trinken, sowie Metal-Musik gab es reichlich, nichtsdestotrotz galt es, keine Zeit zu verlieren, da das absolute Highlight gleich zu Beginn auf dem Zeitplan stand. Nach 20 Minuten Fußweg in der Innenstadt angekommen, war alles fest in Metaller-Hand. Im Zentrum das 013 mit seinen zwei Bühnen, gegenüber das Patronaat mit seinen Kirchenfenstern, dahinter das Extase, eine schlauchartige Kneipe und um die Ecke das Cul de Sac. Außerdem eine große Fressmeile und Nebenschauplätze für Merchandise, Plattenflohmarkt Gruppendiskussionen und Musikhören. Alles mitten in der Stadt.

Dem 013 merkt man an, dass es wirklich als Konzerthalle gebaut ist und nicht etwa eine umgebaute Fabrikhalle ist. Das Hauptvenue fasst etwa 3000 Zuhörer, ist hinten erhöht mit Bars auf beiden Seiten und hat eine frei begehbare Galerie.

Cult of Luna / Foto: Niels Vinck

Optimale Voraussetzungen also für CULT OF LUNA, die gerade das 15jährige Jubiläum ihres Über-Albums „Somewhere Along the Highway“ feiern. Und es ist eben eine der Eigenheiten des Roadburn, dass es nicht den einen Headliner gibt, sodass die Band schon mittags um vier auf den Brettern steht. Und da das Publikum das weiß, ist der Saal auch schon ziemlich voll. CULT OF LUNA sind auf normaler Konzerttourneen schon ein Erlebnis mit ihren zwei Schlagzeugern und der ausgefeilten Lichtshow, die perfekt mit der Musik harmoniert, dann setzt das Zelebrieren eines kompletten Albums dem noch einen drauf. Als die ersten Takte des Obersongs „Marching to the Heartbeats“ ertönen, haben mit Sicherheit nicht Wenige ihren ganz eigenen Gänsehautmoment. Der Sound und das Licht sind perfekt und man wird schier weggeblasen von dem Druck, den das Sextett auf der Bühne erzeugt. Dadurch, dass man jeden Song kennt und genau weiß, was kommen wird, kann man sich ganz auf die Musik konzentrieren. Als ich damals das erste Mal das Album in den Händen hielt, war es eine Promopressung für Pressefritzen, sodass circa alle 30 Sekunden als Kopierschutz eine sympathische Stimme dazwischen quatschte: „You are now listening to the new Album by CULT OF LUNA. Out now on Earache Records“. Das hat sich wirklich in mein Hirn eingebrannt. Die Performance im 013 war so nah am Original, dass ich eigentlich nur darauf gewartet habe, diese Stimme zu hören. Gewundert hätte es mich nicht… Nach etwas über einer Stunde war das Album durchgespielt und die Band verließ ohne Kommunikation mit dem Publikum die Bühne, obwohl sie noch zwanzig Minuten Spielzeit gehabt hätte. Der ein oder andere  neue Song hätte da also noch hinein gepasst. Trotzdem hätte ich nach dem Auftritt eigentlich glücklich nach Hause gehen können. Aber das war ja erst der Auftakt des Festivals.

Die nächste Band auf der großen Bühne sind HEXVESSEL. Deren neues Album „When we are Death“ hat mich noch nicht restlos überzeugt, allerdings fand ich ihren Auftritt vor zwei Jahren beim Sonnenwendfest auf einer österreichischen Alm sehr passend. Ihre Verbundenheit mit der Natur zeigen die Finnen auch bei der Wahl ihrer Instrumente und Kostüme. Sänger Mat McNerney trägt ein Robin Hood-Gedächtnis-Cape und die Akustikgitarre ist im gesamten Set das dominante Instrument. Viele neue Songs  werden mit nicht ganz so prägnanter Stimme vorgetragen wie auf Platte, Authentizität-Pluspunkte gibt es für das mit Trompete und viel Theatralik vorgetragene „Woods to Conjure“ und „Teeth of the Mountain“. „Cosmic Truth“ wird augenzwinkernd als Song über Liebe und Raumschiffe angekündigt, trotzdem bleibt das Publikum recht verhalten. Das mag auch an den drogenschwangeren THE DOORS-Anleihen wie bei „When I am dead…“ liegen. Ordentlich Stimmung in der Bude ist dann beim letzten Song „Invocation Summoning“, bei dem die Menge das vorher geübte „Aaah-Uuh“ munter mitsingt.

Hexvessel / Foto: Erik Luyten


Während das Patronaat nun schon hoffnungslos überfüllt ist und davor noch einmal mindestens die doppelte Menge in einer gesitteten Schlange auf Einlass wartet, ist vor der wohl kleinsten Bühne im Extase noch ordentlich Platz, als ARKTAU EOS ihren Auftritt mit Säcken über dem Kopf beginnen. Weihrauch liegt in der Luft, währen die heute als Trio Auftretenden atmosphärische Klangwelten mit altertümlichen Streich- und Schlaginstrumenten erzeugen. Das gelingt meistens ganz gut, wird jedoch etwas konterkarikiert durch den Roadie, der am Bühnenrand seelenruhig sein Futter in sich reinstopft und mehr als einmal den Fokus auf sich lenkt. Insgesamt sind AKRTAU EOS wohl so etwas wie die entspanntere und musikalischere Version von SUNN O)), was vom Publikum auch dankbar honoriert wird.

Die wohl bekannteste und massenkompatibelste Band hat dann wieder im 013 ihren Auftritt. Die alten Haudegen von PARADISE LOST machen sich daran, ihr vor 25 Jahren erschienenes, stilprägendes Werk „Gothic“ aufzuführen und natürlich will jeder dabei sein. Auch wenn ich mich immer noch nicht an die sportliche Kurzhaarfrisur von Sänger Nick Holmes gewöhnt habe, weiß ich doch seit seinen letzten Auftritten mit BLOODBATH, dass er das Growlen immer noch drauf hat. So fällt es ihm auch nicht schwer, die entsprechenden Gothic-Parts stimmgewaltig rüber zu bringen, auch wenn fast alle Songs seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr live zu hören waren. Anfangs sind die Drums etwas dominant, doch das legt sich während der nur 38-minütigen Albumaufführung. Dabei wird „Falling Forever“ das allererste Mal überhaupt live aufgeführt. Nach „The Painless“ und dem Outro als letztem Song folgt diesmal natürlich noch ein paar Zugaben, bei denen auch die Jüngeren auf ihre Kosten kommen und zu Songs wie „No Hope in Sight“ und „Beneath Broken Earth“ ordentlich ihre Haare schütteln. Insgesamt ein sehr überzeugender Auftritt der Jungs aus London!

Paradise Lost / Foto: Erik Luyten


Auch der Freitag beginnt wieder ziemlich früh um 15 Uhr mit einer Kollaboration von HEXVESSEL und ARKTAU EOS. Da ich beide ja schon am Vortag gesehen habe, schaue ich mal vorbei, was DIAMANDA GALÁS so treibt. Dem gemeinen Metaller dürfte die Dame mit dem durchdringenden Organ wohl am ehesten durch ihre Kollaboration mit CRADLE OF FILTH ein Begriff sein. Während des Auftritts wird das komplette 013 abgedunkelt, jegliche Fotoaufnahmen werden verboten, die Türen werden geschlossen und sogar die Bars stellen ihren Betrieb ein. Lediglich ein einzelner weißer Spot liegt auf dem schwarzen Konzertflügel, an dem DIAMANDA Platz nimmt. Dann folgt eine recht expressionistische, bisweilen dadaistische Aufführung bei der die Dame ihre Stimme als weiteres Instrument neben dem Klavier einsetzt und zwischen spitzen Schreien und tiefen Melodien wechselt. Für viele Zuschauer ist das wohl zu viel, sodass bei der ersten Liedpause, während der die Türen wieder geöffnet werden dürfen ein reges Kommen und Gehen einsetzt. Im Laufe des Auftritts wird das Konzert dann etwas massenkompatibler, wenn die Rhythmen bluesiger und eingängiger werden und der enorme Stimmenumfang der Sängerin zur Geltung kommt. Nach einem stark verfremdeten Johnny Cash-Cover („25 Minutes to go...“) ist dann für mich aber auch Schluss, denn ich will schnell rüber ins Patronaat zu STEVE VON TILL.

Dort finde ich noch ein Plätzchen in der plüschigen Cocktaillounge im Obergeschoss mit bestem Bühnenblick. Der NEUROSIS-Sänger gibt solo ganz den einsamen Mann mit Akustikgitarre, spielt berührende, fragile Stücke wie „We all Fall“ und zieht mit seiner Bühnenpräsenz den dicht gefüllten Konzertsaal in seinen Bann. Bei „Breathe“ wird es ganz still, das Cover „Black Crow Blues“ hätte auch Nick Cave nicht besser spielen können. Ganz großes Kino!

Steve von Till / Foto: Erik Luyten


Der Versuch, bei ALKERDEEL erst ins Cul de Sac hinein zu kommen und dann auch noch mehr zu sehen als die Lichttraverse, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Zum Glück ist die Musik auch auf Platte hauptsächlich Krach, die mit dem gesamten Körper erlebt wird, was sich auch mit dem Gastauftritt für einen „Song“ (der natürlich jenseits der 20 Minuten einschlägt) von GNAW THEIR TONGUES nicht ändert. Abschließend lässt sich sagen: Das Material der Split-CD live sehr originalgetreu umgesetzt.

Bei den sehr guten Isländern NYIÞ versuche ich dann gar nicht erst, einen Sichtplatz zu erhaschen, stattdessen lasse ich mich ganz unvorbereitet von DEATH ALLEY (and Friends) überraschen. Die aus den Ruinen von THE DEVIL’S BLOOD entstandene Band rockt gewaltig nach vorne und bringt ordentlich Leben auf und vor die Nebenbühne. Das hat Spaß gemacht!

Death Alley / Foto: Erik Luyten


Von CHVE, dem Solo-Projekt von AMENRA-Fronter Colin H. van Eeckhout, sehe ich nur noch den letzten Song, bei dem mit Drehorgel auf der Bühne Lagerfeuerromantik verbreitet wird. Dafür bleibe ich dann aber vor Ort (das Patronaat zu verlassen ist eh keine gute Idee, da die Chancen, wieder rein zu kommen, immer weiter schwinden) und warte mit ein, zwei Gerstenkaltschalen auf den Auftritt von :OF THE WAND AND THE MOON:. Die Getränkepreis-Verschleierungstaktik (ein Bier kostet 2 Tokens - ein Token kostet allerdings 2,50€…) hat bei mir auf jeden Fall funktioniert. Zum Glück nehmen die menschlichen Umtauscher im Gegensatz zu den Automaten auch Kreditkarte. Die Band präsentiert dann entspannten Post-Rock, der zumindest live nicht sonderlich hängen bleibt. Den Fans scheint es zu gefallen, mir gefallen sie aber auf Platte besser.

Ich schaue dann lieber bei den obskuren Japanern G.I.S.M vorbei, die trotz ihrer über 30jährigen Bandgeschichte hier auf dem Roadburn ihren allerersten Auslandsauftritt feiern. Der rumpelige Hardcore-Punk-Rock macht den Mitgliedern und dem Publikum sichtlich Spaß, auch wenn es mit dem kommerziellen Durchbruch wohl auch in den nächsten 30 Jahren nichts werden wird.

Nebenan entführen uns LYCHGATE mit ihrer eigenen Art von Black Metal, bei dem vor allem die Orgel im Mittelpunkt steht. Als Kontrapunkt dazu stehen die aufgefahrenen drei Gitarren, die ordentlich Druck machen.

Richtig Old-School wird es dann auf der Hauptbühne mit PENTAGRAM. Seit Urzeiten im Geschäft und immer kurz vor dem Durchbruch haben sich die Amis trotzdem eine große Fanbasis erspielt. Und Frontmann-Unikat (und einziges Original-Mitglied) Bobby Liebling tut sein Übriges und  hüpft als über 60jähriges Rumpelstilzchen über die Bühne. Warum betreutes Wohnen, wenn man noch auf Tour gehen kann? Gitarrist Victor lässt sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als der Sänger während eines lässigen Gitarrensolos sein Bein bespringt und sich an ihm reibt. Er scheint es gewohnt zu sein, und das Publikum hat seinen Spaß.

Pentagram / Foto: Erik Luyten


PETER PAN SPEEDROCK haben wohl schon auf jedem Festival gespielt, sind aber momentan auf ihrer Abschiedstour und haben hier quasi ihr Heimspiel. Der rotzige Hardrock der Holländer stellt einen guten Kontrapunkt zu einigen anderen Auftritten an diesem Wochenende dar und bläst einem ordentlich die Ohren frei.
Die ÚLFSMESSA soll dann den würdigen Abschluss des Abends bilden, doch mal wieder ist es viel zu voll, als die Isländer rund um MISÞYRMING die Bühne betreten. Wenn man diese erste Aufführung des „Rituals“ außerhalb der Heimatinsel, und der erst dritte überhaupt, mit der letzten Version von vor neun Monaten im alten Kino von Neskaupstaður vergleicht, dann ist das hier wirklich nur ein magerer Abklatsch. Es ist eben ein Unterschied, ob circa fünfzig Zuhörer intensiv an der Aufführung teil haben, und es dazwischen genug Platz und Zeit gibt, das Publikum mit einzubeziehen, indem vermummte Gestalten durch die Menge wandern, der Kelch herumgereicht wird und so etwas wie ein Gefühl entstehen kann, bei etwas Besonderem dabei zu sein, oder ob die Aufführung in einer vollgepackten Konzerthalle vor 700 Leuten stattfindet, von denen mehr als die Hälfte nicht nachvollziehen kann, was da eigentlich gerade passiert. Schade!

Ulfsmessa / Foto: Erik Luyten


Der Samstag beginnt mit einem ausgedehnten Frühstück auf dem Campground, das dieses Mal von syrischen Flüchtlingen zubereitet wird. Musikalisch steht dann als Appetizer der ultra-langsame Funeral Doom von SKEPTICISM auf dem Plan. Das von Fans gewählte Set besteht genre-bedingt aus nur vier Songs. Das mit Orgelklängen unterlegt tiefe Gegrowle der Finnen findet allerdings noch nicht so viel Zuschaueranklang.

Skepticism / Foto: Niels Vinck

Im wesentlich kleineren Cul de Sac ist es allerdings schon wieder schweißtreibend voll, als HEMELBESTORMER die Bühne betreten um ihren instrumentellen Post-Metal zur Geltung zu bringen. Nichts Außergewöhnliches, sodass ich mich lieber zu CHAOS ECHOES ins Extase trolle, die ihr komplettes „Transient“-Album zum Besten geben. Die absichtlich schiefen und atonalen Klänge sind am frühen Morgen allerdings auch noch zu viel für mich.
Aber eigentlich bin ich ja nur so früh da, um einen guten Platz für KONTINUUM zu sichern, die danach spielen. Die Isländer haben es zu Recht schon mehrmals über den großen Teich geschafft und gerade erst eine Europa-Tournee absolviert. Der enstpannte, etwas depressive Post-Black Metal geht gut ins Ohr und gleich das zweite Lied ist „Breathe“, eines der wenigen englischsprachigen Songs mit mitsingkompatiblem Refrain. Im Publikum befinden sich auch die Landsmänner von THE VINTAGE CARAVAN, obwohl die gar nicht auf dem Billing stehen. Die werden doch wohl nicht einen Überraschungsauftritt planen…?
Weiter geht es zu den nächsten Isländern: Nachdem mich gestern die ÚLFMESSA mit eher zwiespältigen Gefühlen zurück gelassen hat, blasen nun MISÞYRMING im Green Room des 013 alles weg! Der erfrischend neue Black Metal mit seinen hypnotischen Songstrukturen zieht die Zuschauer der jungen Band von Anfang an in seinen Bann. Hier ist es richtig voll und niemand will früher gehen. Ein überzeugender Auftritt, der Lust macht auf ein Solokonzert!

Misthyrming / Foto: Erik Luyten


Nachdem ich gestern den ersten Auftritt von CONVERGE schon verpasst habe, als sie ihr komplettes „Jane Doe“-Album spielten, erlebe ich auch heute nur das Ende des zweiten Sets. Die Nachteile einer eng gesteckten Agenda. So sehe ich den an diesem Wochenende viel beschäftigten STEVE VON TILL als Gastsänger des etwas uninspiriert wirkenden Auftritts. Auch als danach die Gitarristin mal ans Mikro darf, hätte ich mir mehr Action gewünscht. Das sind wohl noch die Auswirkungen des MISÞYRMING- Auftritts.

Danach folgt allerdings einer der wohl am meisten erwarteten Auftritte des diesjährigen Roadburn: AMENRA. Nach der kurzen und schnell ausverkauften Akustiktour ist dieser Auftritt für viele wohl die erste – und einzige – Möglichkeit, diese spezielle Seite der Band kennenzulernen. Die Band sitzt in einem Stuhlkreis auf der Bühne und wendete dabei dem Publikum den Rücken zu. Außerdem verzichtet sie auf viele visuelle Effekte, sodass man den Eindruck bekommt, eher zufällig in einer privaten Jamsession der Gruppe gelandet zu sein. Die meist leise und zurückhaltend vorgetragenen AMENRA-Stücke sorgen vor der Bühne für andächtiges Schweigen, nur ab und zu, wenn Lieder erkannt werden, gibt es Szenenapplaus. Man merkt auch der Band an, dass dieser Auftritt etwas Außergewöhnliches für sie ist. „Stay close and you will see“! Als Besonderheit covern sie dann noch mit „Het Dorp“ einen Song des flämischen Liedermachers Zjef Vanuytsel, wohl so etwas wie der belgische Hannes Wader.

Amenra / Foto: Niels Vinck

Anschließend gibt es als Kontrapunkt wieder ordentlich Krach bei NEUROSIS. Dreißigjähriges Bandjubiläum feiern die alten Sludge-Säcke mit zwei über zweistündigen Auftritten an zwei Abenden hintereinander. Steve von Till darf diesmal als Frontmann seine brutale Seite ausleben. Aber auch die anderen Bandmitglieder dürfen mal ans  Mikro. Bei den alten Stücken, bei denen man noch viel stärker die Hardcore-Einflüsse hört, ist das vor allem Basser Dave Edwardson, der mit sichtlichem Spaß seine Stimmbänder malträtiert. Um viertel nach eins ist dann Schluss für heute, und viele Anwesende werden wohl mit fiependen Ohren, aber glücklich ins Bett fallen.

Der Sonntag beginnt mit Regen, Sonnenschein, und einem ungeplanten Hagelschauer, der den Zeltabbau etwas behindert. Zum Glück ist im geräumigen Frühstückszelt genug Platz auf den gemütlichen Sofas. So verpasse ich dann allerdings leider den -nicht ganz so überraschenden- Geheimauftritt von THE VINTAGE CARAVAN im Cul de Sac.

Ein Muss ist allerdings der zweite Auftritt von AMENRA.  Nach der Akustiksession gestern haben sie diesmal ihr „Normal“-Programm ausgepackt, stehen als ordentliche Band auf der Bühne und verwenden auch die Videowand wie gewohnt. Und dann beginnt ein intensiver Auftritt, der einen nicht vermuten lässt, dass dort wirklich dieselbe Band wie gestern steht. „Aorte. Nous Sommes Du Même Sang“ wird als einziger Song an beiden Abenden gespielt. Nichts gegen Unplugged, aber genau so müssen die Belgier klingen! Sänger Colin packt alle Facetten seiner Emotionen aus, die Gitarren braten in absoluter Abgründigkeit und nur selten bekommt man Zeit zum Luftholen. Sehr, sehr intensiv!

Direkt nach dem Auftritt bleibt keine Zeit für eine Verschnaufpause, denn direkt nebenan im Green Room haben KLONE schon begonnen zu spielen. Und wer die Franzosen schon einmal live gesehen hat, der weiß, dass es sich lohnt. Nach dem letzten Konzerterlebnis habe ich mir gleich die neue Platte besorgt, doch ich muss sagen, dass diese nicht an das Live-Erlebnis herankommt. Auch heute stehen wieder viele neue Stücke vom letzten Album „Here Comes The Sun“ auf der Setlist. Auf der Bühne wird eben noch einmal eine Schippe Härte mehr aufgelegt und die elektronischen Spielereien treten bei den modernen, progressiven Nummern etwas mehr in den Hintergrund.

Neurosis / Foto: Erik Luyten

Und kaum sind KLONE fertig, dröhnt schon wieder NEUROSIS von der Hauptbühne herüber. Gegenüber gestern haben die Kalifornier es sich wohl vorgenommen, dass Noise-O-Meter noch eine Stufe höher auf 11 zu drehen. Die gesamten zwei Stunden halte ich dieses Mal aber nicht durch, da noch ein langer Heimweg ansteht.

Insgesamt bleibt zu sagen, dass das ROADBURN-Festival eine enorme Bereicherung der Musiklandschaft darstellt und sich mit seinen ganz eigenen Besonderheiten von der kommerziellen Festival-Konkurrenz abhebt. Sei es die kurierte Bandauswahl, die Möglichkeit ganz besonderen Auftritten beizuwohnen oder einfach die Location und das friedliche Ambiente, das in Tilburg einmalig ist.
Kleinere Kritikpunkte sind die Teils zu vollen kleinen Venues, vor denen sich mitunter lange Schlangen bildeten, sodass man manche (nicht-mehr-ganz-so) Geheimfavoriten zwangsweise verpasst hat. Ein weiterer Punkt ist die Preis- und Becher-Politik. Muss es wirklich sein, dass man am Ende des Abends durch ein Meer von weggeworfenen Einwegplastikbechern waten muss? Wäre da ein Pfandsystem nicht die bessere Lösung?
Extra-Pluspunkte gibt es für das erstmals ausgerichtete Stads-Camping und die Wohlfühlatmosphäre rund um den Campground. Das schreit nach einer Wiederholung!

 

Fotos (wie angegeben): Erik Luyten Photography (www.erikluyten.nl) / Niels Vinck - Alle Rechte vorbehalten!

 

Kategorie

Headliner

Paradise Lost, Neurosis, Cult of Luna, Pentagram, Amenra

Besucher

ca. 4000

Ort

Tilburg

Line Up

Abysmal Grief
Abyssion
Admiral Sir Cloudesley Shovell
Alkerdeel ft. Gnaw Their Tongues
Amenra
Arktau Eos
Astrosoniq
Atomikylä
Bang
Beastmaker
Behold! The Monolith
Black Moon Circle (ft. Dr. Space)
Black Mountain
Bliksem
Blind Idiot God
Blood Ceremony
Der Blutharsch and the Infinite Church of the Leading Hand
Brothers of the Sonic Cloth
Buried at Sea
Carousel
Chaos Echoes
CHRCH
CHVE
Cocaine Piss
Concatenatus
Converge
Crumbling Ghost
Cult of Luna
Cult of Occult
Daniel Payne
Dark Buddha Rising
Dead Neanderthals
Dead To A Dying World
Death Alley (& Friends)
Diamanda Galás
DOOL
Lee Dorrian
Ecstatic Vision
Epitaph
Full of Hell
Galley Beggar
Gentlemans Pistols
G.I.S.M.
Gomer Pyle
Grafir
Green Carnation
Grimmsons
Hair of the Dog
Hangman’s Chair
Hell
Hemelbestormer
Herder
Hexvessel
Hills
Inverloch
Jakob
John Haughm
Jucifer
Kenn Nardi
Klone
Kontinuum
La Muerte
Lugubrum Trio
Lychgate
Mantra Machine
Mirrors For Psychic Warfare
Misþyrming
Moloken
Mondo Drag
MPH
Naðra
Neurosis
New Keepers of the Water Towers
Nibiru
NYIÞ
Night Viper
Noctum
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Of The Wand And The Moon
Oranssi Pazuzu
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